BAND 44: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan, S. 1 – 30
Nach der Julirevolution von 1830 ist die bereits mehrfach als Lieblingsfigur ausgezeichnete Herzogin Diane von Maufrigneuse leider pleite. Selbstverständlich hat dies nur mit ihrer Verschwendungssucht zu tun und nichts mit den politischen Umwälzungen, sie lässt es aber geschickt so aussehen. Um Gras über ihren Ruf als männerfressende Hedonistin wachsen zu lassen, nennt sie sich fortan Fürstin von Cadignan, einTitel, der ihr ebenfalls zusteht, und wohnt zurückgezogen in einer bescheidenen 5-Zimmer-Wohnung mit Garten. „Von einer Königin, der so viele Höflinge gehuldigt hatten und deren Leichtfertigkeiten mehrere Romane füllen konnten, blieb eine Frau von köstlicher Schönheit übrig, sechsunddreißig Jahre alt, aber berechtigt, nicht mehr als dreißig zuzugeben“.
Ihre letzte verbliebene Freundin ist merkwürdigerweise die Marquise d’Espard, dieses glorreiche Miststück. Mit ihr schwelgt sie in der nostalgischen Betrachtung, dass sie trotz ihrer zahllosen Affären nie die wahre Liebe kennenlernen durfte.
Denkt man kurz darüber nach, mit wem Diane noch nicht im Bett war, kommen eigentlich nur wenige Figuren in Frage. Sie will weder einen Dummkopf, noch einen Mann von Geist, es muss schon ein richtiges Genie sein. Und wer wäre dafür besser geeignet, als das Abbild des Meisters selbst, der demütig-strebsame Daniel d’Arthez, Lichtgestalt und Mentor von Lucien de Rubempré aus Verlorene Illusionen? „Seine Freunde wissen, daß bis jetzt für ihn die Frau nur eine stets gefürchtete Erscheinung war; er hat sie zu gut beobachtet, um sie nicht zu fürchten; aber trotz aller Anstrengung ist es ihm nicht gelungen, sie wirklich zu kennen.“
Wenn da nicht der Autor wieder die Angel nach einer echten Gräfin auswirft. Balzac war ja bekanntlich kein Kind von Traurigkeit, wenn es darum ging, üppigen Dingern ins Beinfleisch zu kneifen. Aber offiziell muss er natürlich der unschuldige Asket sein, wenn er einen vertrockneten Fetzen wie die Hánska erobern will.
Mithilfe der Marquise d’Espard, sowie Rastignac und Blondet wird jedenfalls ein Date zwischen Diane und Daniel eingefädelt. Man darf gespannt sein, die beiden würden ein Traumpaar abgeben.
Beste Stelle:
Wenn Balzac ganz bescheiden und ohne Hintergedanken die Bedeutung des Daniel d’Arthez bemisst: „Daniel d’Arthez, einer der seltenen Männer, die in unsern Tagen einen großen Charakter mit einer großen Begabung vereinigen, hatte noch nicht die ganze Berühmtheit erlangt, die ihm seine Werke einbringen mußten, aber eine Achtung, der die Erlesenen nichts hinzufügen konnten. Sein Ansehen wird sicher noch größer werden, aber es hatte damals schon seine ganze Entfaltung in den Augen von Kennern erreicht: Er gehört zu den Autoren, die früher oder später den Platz erhalten, der ihnen zukommt, und ihn dann nicht mehr verlieren.“
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