Man hat es geschafft, langsam taucht Licht am Ende des Balzactunnels auf. Mit dem letzten Band der Szenen aus dem Provinzleben hat man etwa die Hälfte der Menschlichen Komödie gelesen. Weiter geht es mit den Szenen auf dem Pariser Leben. Doch vorher wieder eine Empfehlung, welche Bände man unbedingt lesen, bzw. vermeiden sollte.
TOP 3 MEISTERWERKE
Junggesellenwirtschaft (Ja, es mag irre erscheinen, dass nicht die Illusions perdues an erster Stelle stehen. Doch in diesem Band mit dem Beinamen Die Krebsfischerin gibt es so viele erfreuliche plot twists und vor allem den famosen Maler Joseph Bridau, dass man nicht umhin kann, Junggesellenwirtschaft auf den ersten Platz zu heben.)
Verlorene Illusionen (vermutlich DAS Hauptwerk der Comédie humaine. Lucien ist zwar eine ziemliche Nervensäge, und der Handlungsstrang um David und Eve Séchard macht gähnen, trotzdem sollte jeder Balzac-Unbeleckte als erstes zu diesem Buch greifen.)
PLATZ 3 bleibt frei (Die Muse der Provinz war ganz gut, ebenso Die alte Jungfer, und Das Antiquitätenkabinett. Doch so gut, mit den beiden obigen Bänden in einem Atemzug erwähnt zu werden, sind sie auch wieder nicht.)
TOP 3 GROSCHENROMANE
Pierrette (siehe Beiträge)
Die Lilie im Tal (siehe Beiträge)
PLATZ 3 bleibt frei (Man wird sicher noch eine Weile brauchen, um sich von der Lektüre der beiden oben genannten Bände zu erholen. Es ist beruhigend, dass auch der Meister scheitern konnte. Das hat er in den beiden oben genannten Bänden bewiesen. Ein weiteres Werk in diese Liste aufzunehmen, wäre unfair. So schlimm war keines der übrigen.)
BAND 39: Das Bankhaus Nucingen, S. 1 – 50
Balzac, bzw. der Ich-Erzähler, sitzt mit einem Kumpel im Separatzimmer eines Restaurants. Irgendwann hört er, wie nebenan vier Jungs zum Essen kommen und sich unterhalten. Drei von ihnen kennt man bereits aus früheren Bänden: Finot, Bixiou, Blondet, dazu noch ein Mann namens Couture: „Diese geistvollen Condottieri der modernen Industrie, dieses grausamsten aller Kriege, überlassen alle Sorgen ihren Gläubigern, behalten die Freuden für sich und kümmern sich nur um ihren Anzug.“
Beim Dessert kommt die Frage auf, wie Rastignac wohl zu seinem Vermögen gekommen ist, eine Frage, die Bixiou beantworten kann und dies nun ausschweifend tut. Anscheinend hängt sein Reichtum mit dem Werdegang des Bankiers Nucingen zusammen, denn man erfährt zuerst dessen Geschichte. Witzig sind dabei vor allem die Unterbrechungen der Zuhörer, wenn Bixiou zu langatmig wird, ein hübscher Kniff des Meisters, sich selbst auf die Schippe zu nehmen:
„,Erzähle doch etwas rascher,‘ sagte Blondet, ,du machst so viele Umschweife.‘
,Isaure‘, begann Bixiou wieder, indem er einen Seitenblick auf Blondet warf, ,hatte ein schlichtes Kleid aus weißem Krepp mit grünen Schleifen an, eine Kamelie im Haar, eine Kamelie im Gürtel, noch eine Kamelie am Rocksaum und eine Kamelie…’“
Woraufhin sich wieder Protestgeschrei erhebt, dass man als Balzac-Leser auch schon so manches Mal angestimmt hat.
Beste Figur:
Der Baron Nucingen, der von der Affäre zwischen seiner Frau Delphine und Rastignac weiß, sie aber toleriert, weil er sich so um seinen eigenen Kram kümmern kann: „Rastignac aber gefiel ihm sehr, und er nutzte ihn aus, ohne daß dieser es merkte: er überließ ihm alle Sorge für sein Heim. Rastignac ertrug alle Launen Delphines, fuhr mit ihr in das Bois, begleitete sie ins Theater. (…) Der Baron lachte sich ins Fäustchen, aber als er dann Rastignac unter der Last seiner Pflichten zusammenbrechen sah, stellte er sich, als argwöhne er etwas, und band die beiden Liebenden durch gemeinsame Furcht enger aneinander.“
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