Am Wochenende vor der Jukebox im Bierbrunnen festgestellt, dass man genau wie die arme Spießerwurst im Udo Jürgens-Lied noch niemals in New York war, noch niemals auf Hawaii, ja nicht einmal durch San Francisco mit zerrissenen Jeans gegangen ist. Unhaltbarer Zustand. Erschrocken ruft man die Freundin an und schlägt vor, alle drei Stationen mit einem Trip abzuhaken. Diskussion darüber, wie viel Zeit dafür veranschlagt werden soll.
Man selbst glaubt, dass eine Woche reichen müsste, denn man ist nicht sonderlich an Hawaii interessiert. Strände und White Trash kann man schließlich überall finden. Die Freundin verbindet jedoch Elvis Presley-Filme mit dem Inselstaat, man einigt sich deshalb notgedrungen auf zwei Wochen. Nächstes Jahr dann also Udo Jürgens-Reise, damit man besagtes Lied in Zukunft mit der nötigen Seelenruhe anhören kann.
BAND 37: Junggesellenwirtschaft, S. 1 – 50
Wieder ein Band, der mit der Familiengeschichte von drei Generationen während Revolution, Napoleonzeit etc. beginnt und einen Haufen von Namen ins Feld führt. Als routinierter Balzac-Leser, der man inzwischen ist, lässt man sich nicht entmutigen, sondern wartet einfach, bis die Wolken sich lichten. Spätestens um die zwanzigste Seite herum ist meistens klar, um wen es nun eigentlich gehen soll, in diesem Fall um die Brüder Bridaut. Den jüngeren, Joseph Bridaut, kennt man bereits aus mehreren Bänden, vor allem aus Verlorene Illusionen, wo er zur Gruppe der Auserwählten um Daniel d’Arthez gehört. Aber von vorn.
Der Vater Bridaut, ein Liebling des Kaisers, reibt sich im Dienste für seinen Herrn auf und stirbt mit 42 Jahren vor Entkräftung. Er hinterlässt seine Frau Agathe, die nun von einer knappen Pension, die Napoleon ihr aus seiner Privatschatulle gewährt, die beiden Söhne durchbringen muss: „Eine Witwe hat zwei Aufgaben, die sich widersprechen: sie ist Mutter und muß zugleich die väterliche Gewalt ausüben. Wenige Frauen haben die Kraft, diese Doppelrolle zu verstehen und zu spielen. So wurde die arme Agathe bei all ihren Tugenden die unschuldige Ursache vielen Unglücks.“
Ob nun Witwe, oder alleinerziehend, Agathe macht alles falsch. Sie bevorzugt den älteren Sohn Philipp, einen Haudrauf und Kretin, heutzutage wäre er ein Kind, das mit Waffen spielt. Vom zarten Joseph, der Maler werden will, hält sie nicht viel. Dabei besucht der schon als Kind auf eigene Faust die Kunstschule, wird kostenfrei von den Professoren unterrichtet. Als sie Wind davon kriegt, will sie es ihm verbieten, was ein leidenschaftliches Plädoyer eines seiner Lehrer nach sich zieht: „Der große Künstler ist ein König, mehr als ein König; er ist glücklich, er ist unabhängig, er lebt nach seinem Sinn; und Herrscher ist er in der Welt der Phantasie. (…) Nur zu, Madame! machen Sie einen Trottel aus ihm, einen, der nur im Geleise laufen kann, einen elenden Federfuchser. Einen Mord begehen Sie! Ich hoffe bestimmt, er wird all Ihrer Mühe zum Trotz immer Künstler bleiben.“
Solche Lehrer wünscht man auch dem eigenen Kind.
Philipp lässt sich derweil von Napoleon rekrutieren, reitet mit ihm nach Waterloo, wo er verwundet wird. Nach der Rückkehr der Bourbonen ist seine Treue zum Kaiser natürlich nicht mehr so cool, weshalb er in die Kolonien geschickt wird. Er scheitert und kommt völlig verroht zurück. Die Schulden, die er andauernd macht, zahlt der jüngere Joseph mit dem Geld, das er mit seinen Bildern verdient. Natürlich erhält er dafür keine Anerkennung, weder vom Bruder, noch von seiner Mutter.
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