Die Muse der Provinz, Teil V

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BAND 36: Die Muse der Provinz, S. 201 – 240

Lousteau wird langsam zum Ekel, die Beziehung zu Dinah das, was man heutzutage toxisch nennen würde. Die Nuancen der gegenseitigen Demütigungen beschreibt Balzac dabei mit einer Sensibilität, der man anmerkt, dass er sich für dieses Buch endlich mal Zeit genommen hat: „Dinah war also genötigt, die ziemlich lockeren Zügel der Herrschaft, die alle geistreichen Frauen über die willenlosen Menschen ausüben, straffer zu ziehen. Aber bei diesem Manöver verlor sie viel von ihrem geistigen Glanz. Das Mißtrauen, das Frauen merken lassen, führt zu Streitigkeiten, aus denen Mangel an Achtung erwächst, weil sie von der Höhe herabsteigen, auf die sie sich ursprünglich gestellt haben.“
Lousteau ist nicht gut für Dinah, trotzdem liebt sie ihn. Ihr Gatte reist derweil puppenlustig und gesund durch die Welt und wird immer reicher. Alle reden auf sie ein, dass sie wieder in den ehelichen Hafen zurückkehren soll. Sogar Lousteau, der in seinen hellen Momenten selbst weiß, was für ein kaputter Typ er ist: „Ich bin alle diese Opfer nicht wert, mein teurer Engel. Ich bin buchstäblich ein Mensch zweiten Ranges.“

Schließlich fügen die beiden sich in das Unvermeidliche und trennen sich. Dinah kehrt zu ihrem Mann zurück, der ihr ein schönes Palais in Paris einrichtet. Lousteau fängt was mit Fanny Beaupré an und versinkt in der Gosse. Beide wissen, dass es so am besten ist. Trotzdem kommen sie gedanklich nicht voneinander los. Lousteau wird jedes Mal eifersüchtig, wenn er Dinah in einer Kutsche sieht. Dinah hofft insgeheim auf Briefe von Lousteau, und seien es nur Wutbriefe: „Wie konnte sie wagen, ihm zu gestehen, daß sie sich bisweilen nach dem früheren Elend sehnte? Sie empfand eine ungeheure Leere in dem Leben der Welt, sie wußte nicht, wem sie von ihren Erfolgen, ihren Triumphen, ihren Toiletten erzählen sollte. Bisweilen mischten sich die Erinnerungen an ihr Elend mit der Erinnerung an verzehrende Wollust.“
Am Schluss kommt es zu einer letzten Begegnung, weil Lousteau sich Geld von Dinah pumpen muss. Beide versuchen auf Distanz zu bleiben. Die Luft knistert. Fatale Energie. Man stelle sich einen letzten Kuss zwischen Johnny Depp und Amber Heard vor, nach allem, was geschehen ist. So eine Energie ist das: „aber das aufgeregte Blut tobte durch ihre Adern und verwirrte ihr den Kopf.“Am Ende kehrt Dinah in die Provinz zurück, man weiß nicht genau, was vorgefallen ist. Und doch ist dieser Moment toxischer Liebe einer der romantischsten der ganzen Comédie humaine.

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2 Gedanken zu “Die Muse der Provinz, Teil V

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