Man fragt sich, warum einen das Herumgezicke von Louise de Chaulieu so nervt. Emilie aus „Der Ball von Sceaux“ war ja auch etwas schwierig, dabei aber so erfrischend antibürgerlich, dass es einem das Herz gewärmt hat. Am meisten stört, dass Louise ihre Brieffreundin verunsichert und mit in ihren Wahnsinn hineinzieht. Die liebäugelt nämlich inzwischen auch damit, ihre unspektakuläre, aber glückliche Ehe mit Quälereien zu würzen.
Louise ist wie die Hollywood-Filme, die einem das Gefühl geben langweilig zu sein, weil man nicht alle drei Minuten Sex auf dem Küchentisch hat, und dabei wirkmächtig Geschirr zu Boden fegt. Und es ist einem immer noch klar, dass sie eine fiktive, einem Männerhirn entsprungene Figur ist. Trotzdem gab es während der eigenen Dating-Phasen erschreckend viele Frauen, die ähnlich tickten wie sie. Die trotz einer offenkundigen gegenseitigen Sympathie anfingen, seltsame Regeln aufzustellen. Und sich benahmen, als befände man sich in einem Bewerbungsgespräch.
Nicht dass man selbst immer so zielstrebig gewesen wäre. Aber man war befremdet von dieser Genussfeindlichkeit. Man fand, dass der Preis zwischenmenschlicher Geduld dadurch unnötig in die Höhe getrieben wurde. Andererseits hätte man die freie Liebe der 60er bestimmt auch unerträglich gefunden. Wie man’s macht, macht man’s falsch.
Aber um mal eine Lanze für Louise de Chaulieu zu brechen: Sogar sie hat manchmal ihre Zweifel, und sagt über ihre und Renées Erwartungen: „Sollten alle unsere Freuden diesen Weg gehen müssen? Wäre die Erwartung immer süßer als der Genuß? Hoffnung köstlicher als Besitz? (…) Haben wir beide mit der Maßlosigkeit unserer Einbildungskraft die Tragweite unserer Gefühle überspannt? Es gibt Augenblicke, in denen dieser Gedanke mein Herz gefrieren läßt.“
BAND 3: Zwei Frauen, S. 151 – 183
Endlich erlaubt Louise ihrem Verehrer, um ihre Hand anzuhalten. Seine sklavische Ergebenheit erhält dadurch keinen Abbruch: „Jeden Morgen bringt er mir selbst ein bezauberndes Bukett, in dessen Mitte ich stets einen Brief mit einem spanischen Sonett vorfinde, das er zu meinen Ehren in der vorherigen Nacht verfaßt hat.“
Trotz ihrer Schikanen hat sie den stolzen Spanier also einfangen können. Doch ihre kluge, bereits mit der Ehe vertraute Freundin Renée warnt sie: „Aber, liebes Kind, hinter Deinen phantastischen Kulissen erhebt sich der Altar, vor dem ewige Bande geknüpft werden. Der Morgen nach der Hochzeit, die schreckliche Tatsache, die aus dem Mädchen eine Frau, aus dem Liebhaber einen Gatten macht, kann das gefällige Gerüst Deiner empfindsamen Vorkehrungen umwerfen.“
Auch Louises Mutter, die Herzogin von Chaulieu, gibt zu bedenken, dass nach der Tändelei nun harte Fakten anstehen, sprich: der Spanier wird sexytime einfordern. Potential für neue Verwerfungen. Doch nach einem Zeitsprung von acht Monaten erreicht einen die überraschende Neuigkeit, dass Louise nur von Lust und Glück mit ihrem Gatten berichten kann. Der übrigens spuckhässlich ist, eine Randnotiz, die bisher unwichtig schien, Louise aber nun umso sympathischer macht. Sie wollte den Superlativ, und kann ihn jetzt sogar mit einem Mann genießen, der keinem Schönheitsideal entspricht: „…sein Rücken ist leicht gewölbt, der Kopf enorm und von bizarrer Form; seine übrigens geistvolle Häßlichkeit wird von den Pockennarben, die das Gesicht durchfurchen, noch verschärft.“
Von dieser Wendung ist auch Renée überrascht. Wer hätte gedacht, dass Louise einen solchen Willen zum Glücklichsein entwickelt? Allerdings kann die Brieffreundin sich nicht des unheimlichen Gefühles erwehren, dass das Schicksal die Idylle bedroht: „Mir ist, als fordere Dein prunkendes Liebesglück den Himmel heraus. Der oberste Herr dieser Welt – der Schmerz! – wird es ihn nicht verdrießen, keinen Teil an Deinem Fest zu haben? Hat er nicht die herrlichsten Geschicke vernichtet? Louise! vergiß im Schoße des Glückes nicht, zu Gott zu beten!“
Ein guter Cliffhanger, um an dieser Stelle aufzuhören.
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