Zwei Frauen, Teil II

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BAND 3: Zwei Frauen, S. 67 – 150

Zuerst ist Louise begeistert von Paris, dann enttäuscht, weil sie unter den zahllosen Schönheiten nur eine von vielen ist. Sie verliebt sich in ihren Sprachlehrer, den Baron von Macumer, einen spanischen Grandseigneur im Exil. Vom beschaulichen Eheglück ihrer Brieffreundin Renée will sie nichts wissen: „Ich hasse im voraus die Kinder, die Du zur Welt bringst, sie werden mißgestaltet sein!“ Worte, die man schon oft an die Abtrünnigen richten wollte, die Alkohol und Drogen zugunsten der Familienplanung aufgaben.
Dabei weiß die 17jährige Renée genau, was sie will. Beziehungsweise, was sie nicht will. Sie heiratet zwar, doch nur unter der Bedingung, dass sie erst mit ihrem Mann schlafen wird, wenn sie Lust darauf hat. Und der, immerhin ein Kriegsveteran, der die Verrohung des russischen Feldzugs überstanden hat, willigt ein. Renée hat die Hosen an, ist aber klug genug, nichts davon nach außen dringen zu lassen. „Denn der Mann, der von seiner Frau unterjocht erscheint, ist mit Recht der Lächerlichkeit preisgegeben.“ Nach drei Monaten keuschen, respektvollen Umgangs geben sie sich einander hin und zeugen ein Kind. Trotzdem setzt Renée ihre Liebe weiterhin mit Bedacht ein.

Was an sich wie eine gesunde Beziehung klingt, löst bei Louise wieder den üblichen Schreianfall aus: „O tausendmal lieber will ich in den Wirbelstürmen meines ungestümen Herzens zugrundegehen, als in der Dürre Deiner weisen Arithmetik zu verschmachten.“
Go for it, möchte man rufen. Melodramatisch, wie es bei Balzac meistens zugeht, sollte sich ein Zugrundegehen doch einrichten lassen. Die Grundsteine dafür legt sich Louise fleißig selbst. Denn obwohl verliebt in ihren spanischen Granden, zieht sie es vor, Spielchen zu spielen: „Er ist mein Sklave; ich muß ihn beschäftigen. Ich werde ihn unter einer Last von Arbeit erdrücken.“
Sie schickt ihm ihr Porträt, will aber sofort mit ihm brechen, wenn er es wagt, sie im Dankesbrief mit ‚Louise‘ anzusprechen. Sie hofft, dass er nachts in ihr Zimmer kommt, „doch würde er ausführen, was ich mir wünsche, meine Verachtung schlüge ihn zu Boden.“ Als er die Frechheit besitzt, im Salon der Marquise d’Espard gutgelaunt und selbstsicher aufzutreten, kann er Louise nur dadurch besänftigen, dass er nach einem 6-Seiten-Brief mit den Worten schließt: „Sorgen Sie dafür, daß die Kette, die mich an Sie fesselt und die in Ihren Händen ruht, immer angespannt bleibe, damit eine einzige Bewegung ihren leisesten Wunsch verrate dem, der auf immer Ihr Sklave ist.“
Man denkt an BDSM-Praktiken, aber nein, wir befinden uns leider noch im Stadium des vorsichtigen, unverfänglichen Kennenlernens.

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2 Gedanken zu “Zwei Frauen, Teil II

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