BAND 69: Das Lebenselixier
Der junge italienische Herzog Don Juan Belvidero feiert wilde Orgien, während sein Vater Bartolomeo im Westflügel im Sterben liegt. Obwohl, oder gerade weil der ihm zeit seines Lebens alle Freiheiten ließ, ist der Junge ein unausstehliches Früchtchen geworden: „er verfuhr gegen Bartolomeo wie eine launische Kurtisane gegen den greisen Liebhaber: für Unverschämtheiten heimst sie ein Lächeln ein, mit ihrer guten Laune macht sie Geschäfte“.
Der alte Mann hat einen letzten Wunsch. Er möchte, dass sein Sohn ihn nach dem Tod mit einem besonderen Elixier aus einem Kristallflakon einreibt, um ihm damit ein zweites Leben zu ermöglichen. Daran hat der Sohn freilich keinerlei Interesse, er will schließlich erben. Nur aus Langeweile lässt er einen Tropfen auf eines der Augen des toten Vaters fallen, worauf sich dieses prompt öffnet und missbilligend schaut.
„,Was tun?‘ dachte er. Er wollte kühn sein und die weiße Pupille wieder schließen.
Alle Mühe war umsonst.
,Sie ausstechen – ? Ob das wohl Vatermord wäre?‘ fragte er.
,Ja!‘ blinzelte das Auge, und diese Ironie war erstaunlich.“
Er zerdrückt es dann aber doch lieber und tritt sein Erbe an. Als Don Juan reist er nach Spanien, wird der große Wüstling, den man aus Mozarts Oper kennt. Jahrzehntelang hurt er herum, bis er schließlich auch ein alter Mann ist. Auf dem Sterbebett richtet er die gleiche Bitte an seinen Sohn, die einst an ihn gerichtet wurde. Es funktioniert auch alles gut, Kopf und ein Arm sind schon wiederbelebt, da fängt Don Juan aus unerfindlichen Gründen an, sein Kind zu würgen. Die Dienerschaft stürzt herbei und glaubt an ein Wunder. Don Juans Leichnam mit dem lebenden Kopf und dem Arm wird in einen Reliquienschrein in der Kirche gesperrt. Bei einer Messe löst der Kopf sich vom Körper und verbeißt sich im Kopf des Abtes: „,Dummkopf! So sag doch, daß es einen Gott gibt!‘ schrie die Stimme, während der Abt an diesem Biß in sein Gehirn verschied.“
Man hat zwar noch immer nicht begriffen, worin sich diese Geschichten der Philosophischen Studien von den Sittenstudien unterscheiden, aber unterhaltsam sind sie allemal.
Beste Stelle:
„Bestiegen seine Mätressen das Bett, um aus betörender Ekstase in den Himmel zu fahren, so folgte ihnen Don Juan mit der ernsten und gründlichen Ausdauer eines deutschen Studenten.“
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