BAND 63: Die Königstreuen, S. 1 – 52
Aus irgendeinem Grund hat man angenommen, die titelgebenden royalistischen Kämpfer wären die Hauptfiguren und Sympathieträger dieses Romans. Sind sie nicht, zumindest nicht auf den ersten fünfzig Seiten. Es ist das Jahr 1799, Napoleon ist gerade in Ägypten, die junge Republik steht vor einem Bürgerkrieg, während sie an allen Grenzen von den europäischen Monarchien bedroht wird.
Auftritt des Kommandanten Hulot. Man ist ihm bei Tante Lisbeth begegnet, wo er bereits Marschall und ein alter Mann ist, der gerade noch rechtzeitig stirbt, bevor die böse Lisbeth ihn heiraten kann. Nun ist er noch jung und soll mit einer kleinen Truppe von Soldaten ein neu ausgehobenes Kontingent von Rekruten aus der bretonischen Provinz in die nächstgelegene Stadt bringen.
Die Stimmung ist ungefähr so euphorisch wie heute in Russland durch die Teilmobilmachung. Auf einer Hügelkuppe taucht plötzlich ein Waldschrat auf: „Die Grobheit dieses wie mit der Axt zugehauenen Mannes , sein rauhes Äußeres, die stumpfe Unwissenheit, die seinen Zügen aufgeprägt war, all das machte ihn zu einer Art von barbarischem Halbgott. Er nahm eine prophetische Haltung ein, so daß er an dieser Stelle wie der Geist der Bretagne selbst erschien, der sich nach einem Schlummer von drei Jahren erhob, um einen Krieg wieder aufzunehmen, nach dem selbst der Sieg nichts als Trauer bringen konnte.“
Auf ein Signal dieses Faktotums (er imitiert den Ruf eines Käuzchens, von dem die Königstreuen ihren Namen „Chouans“ haben) stürzen dreihundert Kämpfer aus dem Gebüsch, es kommt zur Schlacht. Balzac beschreibt sie ausführlich und spannend in allen Etappen, J.R.R. Tolkien wäre stolz auf ihn. Hulot und seine Jungs halten sich tapfer und können beobachten, dass die Aufständischen von einem jungen, offensichtlich adeligen Mann angeführt werden.
Beste Figur:
Der Kommandant Hulot. Man sympathisiert zwar eher mit den Royalisten, doch was soll man tun, wenn die auktoriale Instanz einen auf die Gegenseite stellt: „In einer kritischen Lage wie der des Kommandeurs Hulot und seiner Abteilung, wo das Leben auf dem Spiele steht, ist es für tatkräftige Männer Ehrensache, sich kaltblütig und unbekümmert zu zeigen. Daran kann man letzten Endes den Mann beurteilen. So setzte denn auch der Kommandant, der besser über die Gefahr bescheid wusste als seine beiden Offiziere, seine ganze Selbstliebe darein, am ruhigsten zu erscheinen.“
Beste Stelle:
Wenn Balzac auf der Metaebene gegen sein Publikum wettert. So beschreibt er die Figuren nur, „um dieser Geschichte die lebendigen Farben zu leihen, denen man heutzutage so großen Wert beimißt, wiewohl sie, gewissen Kritikern zufolge, der Seelenschilderung Abtrag tun.“ An einer anderen Stelle rechtfertigt er sich für „eine kurze Abschweifung, die hier am Platze ist, um eine gewisse Art von Nörglern davon zu überzeugen, daß Hulots Befürchtungen nicht ohne Grund waren“. Lass dich nicht ärgern, Honoré. Deine Kritiker braten in der Hölle.
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