Die Entmündigung, Teil II

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BAND 23: Die Entmündigung, S. 43 – 71

Bevor Bianchon und sein Onkel bei der Marquise d‘Espard aufschlagen, gibt Balzac einem noch einige Infos über dieses It-Girl des Faubourg Saint-Germain an die Hand, zum Beispiel ihre beliebtesten kosmetischen Tricks: „Wie Diana von Poitiers bevorzugte sie kaltes Wasser für ihr Bad; wie sie, schlief die Marquise auf Roßhaar und auf Kopfkissen von Maroquinleder, um ihr Haar zu schonen, aß wenig, trank nur Wasser, regelte ihre Bewegungen, um sich nicht zu ermüden, und vollzog die geringsten Handlungen mit mönchischer Genauigkeit.“
Onkel Popinot gibt sich bei der Audienz bewusst naiv, registriert jedoch die teure Ausstattung des Palais‘ der angeblich in Geldnot lebenden Marquise. Auch die Ausstrahlung des Chevalier d‘Espard entgeht ihm nicht, dem Bruder des zu entmündigenden Marquis‘, der offenbar die treibende Kraft hinter dem angestrebten Prozess ist: „Dieser Herr besaß ein Gesicht wie eine Messerklinge, kalt und scharf, dessen Farbe dem Wasser der Seine glich, wenn es aufgerührt ist und Kohlen von einem gesunkenen Schiff mitführt.“

Nachdem die beiden auf einen korrupten Richter gehofft hatten, den sie bei seinem Ehrgeiz packen können, müssen sie feststellen, dass sie bei Popinot auf Granit beißen. Gnadenlos legt er die Vermögensverhältnisse der Marquise bloß und entlarvt ihre angebliche Fürsorge für die beim Vater lebenden Kinder als Heuchelei: „Als Herr d‘Espard sie verließ, empfand sie ein besonderes Vergnügen: nahm er nicht die beiden Kinder mit sich, die sie jetzt langweilten und die ihr später bei ihren Ansprüchen schädlich werden konnten? Weder ihre intimsten Freunde noch ihre am wenigsten andauernden Anbeter erblickten bei ihr eins dieser Kleinode à la Cornelia, die beim Kommen und Gehen unbewußt das Alter der Mutter verraten; alle hielten sie für eine junge Frau. Die beiden Kinder, um die sich die Marquise in ihrer Klageschrift so zu sorgen schien, waren, ebenso wie ihr Vater, der Gesellschaft so unbekannt wie die Nordwestpassage den Seeleuten.“
Schrecklich diese Kinder, die mit ihrem Dasein das Alter der Mutter verraten.

Als die Marquise merkt, dass ihr die Felle wegschwimmen, hüllt sie sich in ihren aristokratischen Stolz und fordert von Popinot, dass er sich selbst ein Bild vom Geisteszustand ihres Gatten machen soll. Der empfiehlt sich und man ahnt, dass er auf den verbliebenen Seiten die Hoffnungen seines Neffen Bianchon erfüllen wird: „…innerlich wünschte er seinem Onkel die Macht, diese Frau wie eine Schlange zu zertreten: ein Vergleich, zu dem ihn das lange Kleid, die gekrümmte Haltung, der schlanke Hals, der kleine Kopf und die sich schlängelnden Bewegungen der Marquise veranlaßten.“

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2 Gedanken zu “Die Entmündigung, Teil II

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