Melmoth, Teil II

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BAND 70: Melmoth, S. 24 – 65

Aquilina ist nicht nur der Ruin Castaniers, sie hat auch einen jungen Geliebten. Man muss ihr aber zugute halten, dass sie keinen Hehl daraus macht. Auf die Frage, ob sie denn treu ist, gibt sie klare Auskunft: „Zunächst einmal bist du fünfzig Jahre alt, dann hast du ein Gesicht, das man bei einer Obsthändlerin ausstellen könnte. Keiner würde es ablehnen, wenn man es ihm als Kürbis anböte. Wenn du die Treppe hinaufsteigst, keuchst du wie eine Robbe. Dein Bauch schaukelt sich wie ein Brillant auf einem Frauenkopf. (…) Weiß Gott, ich möchte dir, wenn du dir meine Achtung erhalten willst, nicht raten, diesen Eigenschaften noch die Albernheit hinzuzufügen, anzunehmen, daß ein Mädchen wie ich sich damit abgibt, deine asthmatische Liebe durch die Blüte ihrer reizenden Jugend zu erwärmen.“
Harter Tobak. Als die beiden kurz darauf ins Theater gehen, taucht zudem Melmoth wieder auf und eröffnet Castanier, dass er allmächtig ist und vorhat, ihn zu vernichten. Als kleiner Vorgeschmack wird auf der Bühne plötzlich ein Doppelgänger Castaniers dabei gezeigt, wie er den Wechsel fälscht und kurz darauf verhaftet wird. Auf die berechtigte Frage, warum Melmoth so gemein ist, entgegnet dieser: „Wenn der Teufel deine Seele von dir forderte, würdest du sie nicht hingeben, wenn du dafür eine gottähnliche Macht bekämst?“

Offenbar hat Melmoth seine Seele dem Teufel verkauft und kann aus diesem Deal nur herauskommen, wenn er ihn weiterreicht. Castanier willigt ein und ist im nächsten Moment allwissend. Als erstes setzt er Aquilina und ihren Lover vor die Tür, dann folgen die üblichen Orgien, die man als allmächtiges Wesen eben so feiert. Leider lässt auch der Kater nicht lange auf sich warten: „Da er sich Herr aller Frauen wußte, die er nur wünschen konnte und sich mit einer Kraft ausgerüstet fühlte, die niemals versagte, wollte er keine Frauen mehr; da er im voraus wußte, daß sie seinen tollsten Launen sich unterwerfen würden, empfand er einen ungeheuren Durst nach Liebe und wünschte sie sich liebevoller als sie sein konnten.“
Letzten Endes bleibt ihm natürlich nur der Ausweg, ein neues Opfer zu suchen. Er findet es an der Börse, in Claparon, dem Wucherer aus Die Kleinbürger. Der reicht den Fluch weiter an einen Bauunternehmer, der an einen Eisenhändler, usw. Schließlich ist es ein junger Schreiber, der den schwarzen Peter übernimmt. Weil er sich aus Versehen mit einer falschen Selbstmedikation vergiftet, dürfte der Teufel endlich in den Besitz seiner wohlverdienten Seele kommen. Jedenfalls färbt die Leiche sich schwarz wie ein Maulwurf.

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2 Gedanken zu “Melmoth, Teil II

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