BAND 65: Der Landpfarrer, S. 305 – 360
Veronika geht es nicht gut, und dann taucht auch noch die Schwester des Mörders Tascheron auf. Man darf ja inzwischen annehmen, dass Veronika dessen heimliche Geliebte war. Jedenfalls haut diese Ankunft sie dermaßen aus den Latschen, dass alle um ihr Leben fürchten. Tatsächlich beginnt nun die Todeskampf-Phase, die Balzac schon in zehn bis fünfzehn anderen Romanen genauso durchexerziert hat. Da fragt man sich schon: Waren die Menschen früher so zart besaitet, dass sie durch Schicksalsschläge sofort krepiert sind? Echte Menschen tun das nämlich nicht, vielleicht zum eigenen Unglück. Sie leben weiter und immer weiter, auch wenn all ihre Liebsten und all ihre Kinder sterben.
Nicht so bei Veronika. Niemand leidet so wie Veronika. Immerhin trägt sie seit zehn Jahren ein Büßerhemd aus Rosshaar, wie man nebenbei erfährt. Der Grund: Tascheron hat die Morde nur begangen, um mit Veronika und dem erbeuteten Geld nach Amerika fliehen zu können. Ihr Sohn ist nämlich nicht von ihrem Ehemann, sondern von Tascheron. Der sich lieber köpfen ließ, als sie zu verraten. Und während er als Verdammter sterben musste, wird sie als Heilige verehrt. Das geht natürlich gar nicht.
Alle Figuren des Romans flanieren nochmal an ihrem Sterbebett vorbei, auch alle, die man längst wieder vergessen hat. Es werden so viele Tränen vergossen und Klagen angestimmt, dass man sich ein Rosshaarhemd wünscht, um irgendwas anderes zu empfinden als diese Wut, ein so schnulziges, christlich-fanatisches Gejammer ertragen zu müssen. Ist es endlich vorbei, fragt man sich. Und der Landpfarrer: „So wollen wir das vierzigstündige Gebete sagen“. Himmelarsch, wann nippelt der elende Fetzen denn endlich ab? Spoiler: Auf Seite 358. Ruhe im Karton. Finally. „Möge mein Tod das sein, was er für jede Christenseele sein soll: ein Fest!“ Amen.
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