Der Landpfarrer, Teil III

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Wieder mal im Intercity, um das Kind in den Norden zu bringen. Aus irgendeinem Grund fährt der Zug dabei den Umweg über Schwerin, wodurch man nicht wie üblich nach viereinhalb Stunden zurück in Berlin sein wird, sondern erst nach sechseinhalb. Immerhin genug Zeit, um Balzac zu lesen. Außerdem Vorfreude, weil am Abend der letzten Operngig der italienischen Wochen ansteht, namentlich: „Il barbiere di Sevilla“. Eine komische Oper in zwei Akten, der Barbier erfüllt dabei die Rolle des buffo, des Komikers, der für die chatchy punchlines zuständig ist. In den Inszenierungen der tragischen Opern sind es ja eher die Chorstatisten, die für den Quatsch und das Gehampel Sorge tragen. Mal sehen, wie sich der Haarkünstler schlagen wird.

BAND 65: Der Landpfarrer, S. 101 – 150

Gabriel von Rastignac, der jüngste Bruder des in der Comédie allgegenwärtigen Eugène von Rastignac, ist ein Günstling des Bischofs von Limoges. Er wird gesandt, um den Abbé Bonnet zu holen. In der Kutsche auf dem Weg nach Montégnac macht er sich Gedanken über das karge Land, und wie man es kultivieren könnte. Nachdem man gerade in Der Landarzt über 350 Seiten mit solchen Betrachtungen gequält wurde, horcht man verzweifelt auf. Ob wohl die ganzen Szenen aus dem Landleben aus solchem Geschwafel bestehen?
Man liest nun schon seit fast 300 Tagen Balzac, dabei durfte man sich an etlichen Meisterwerken erfreuen. Er ist ein brillanter Analytiker des Zwischenmenschlichen, ein gewitzter, und bisweilen angenehm sadistischer Strippenzieher seiner zahllosen Figuren. Aber wenn man von ihm Sätze lesen muss, bei denen er ins Blaue hinein irgendeinen Stuss erklärt, kann einem gründlich die Lust vergehen: „Das Wasser, das sorgfältig zur Bewässerung verwandt wurde, rann nur durch die von Kastanienbäumen umgebenen, von Hecken eingefaßten Wiesen, auf denen das feine und seltene, kurze und fast süße Gras wuchs, das jene stolze und zarte Rasse von Pferden hervorbringt, die zwar ohne große Widerstandskraft gegen Anstrengungen sind, aber dort, wo sie geboren sind, glänzend gedeihen und durch Verpflanzung zu einem guten Tauschobjekt werden.“ Ach, halt doch die Klappe!

Der junge Gabriel kann jedenfalls den Abbé Bonnet überzeugen, mit nach Limoges zu kommen und Tascherons Seele zu retten. Auch die Schwester und Mutter des Angeklagten begleiten sie, um bei der Bekehrung zu helfen. Tascheron findet die Aussicht, nach einem Geständnis trotzdem hingerichtet zu werden, wenig verlockend. Die Frauen liegen ihm aber so lange in den Ohren, bis er einknickt. Ob er dabei auch seine vermeintliche Geliebte verrät, bleibt ungewiss.

Beste Stelle:

Frauen erkennen die Spuren der Liebe bei einem Manne ebensogut, wie die Männer bei einer Frau sehen, ob – wie man zu sagen pflegt – die Liebe da schon durchgegangen ist.“

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2 Gedanken zu “Der Landpfarrer, Teil III

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