Die Königstreuen, Teil X

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Und schon wieder war man in der Staatsoper, diesmal in Puccinis „Tosca“. Ein Abend voller Widrigkeiten. Die Plätze auf dem dritten Rang lagen so weit links, dass man weniger als die Hälfte der Bühne sehen konnte. Die Vorstellung dauerte nicht enden wollende 2 Stunden und 45 Minuten, unterbrochen von zwei Pausen, in denen man um Getränke kämpfen musste. Schon beim letzten Besuch war das Servicepersonal unterbesetzt, sodass keine Vorbestellungen möglich sind. Man steht fünfzehn Minuten lang in der Schlange, es klingelt zum zweiten Mal, es klingelt zum dritten Mal. Das schließlich erbeutete Glas Wein kippt man sich hinter die Binde, während man die Treppen zum dritten Rang hinaufrennt.
Erstaunlicherweise ist man die ganze Zeit über bestens gelaunt. Nichts kann einen aus der Ruhe bringen, auch die schlechte Sicht auf die Bühne stört einen nicht. Man ist einfach froh, der Mühle des täglichen Schreibens für einige Stunden entronnen zu sein. Zwar befindet man sich mit dem Ratgeber im Endspurt, doch Endspurte sind keine angenehmen Situationen. Je näher das Ziel vor Augen liegt, desto größer und unerträglicher wird der Zwang, es erreichen zu wollen.
Was das Stück selbst betrifft, reicht „Tosca“ nicht ganz an „Turandot“ heran, ist aber trotzdem ein Genuss. Die einzige Chorszene am Ende des 1. Aktes zieht einem die Locken aus der Frisur, so gut ist sie. Der Bösewicht Scarpia wird von Ludovic Tézier dermaßen diabolisch verkörpert, dass man vor ihm niederknien möchte. An Niedertracht könnte er es locker mit Balzacs Corentin aufnehmen. Puccini definitiv der Favorit unter den Italienern. Mal sehen, wie Rossini in eineinhalb Wochen abschneidet.

BAND 63: Die Königstreuen, S. 433 – 483

Das große Finale der schuldbeladenen Liebesgeschichte Maries. Während sie auf das lang ersehnte Stelldichein mit Montauran wartet, suhlt sie sich mal wieder genüsslich im Selbstmitleid: „Trotzdem scheint es mir, als wolle Gott mich dafür belohnen, daß ich mir trotz all meinem Elend so viel Herz bewahrt habe; als wolle er mich meine Leiden vergessen machen. Denn, du weißt es ja, liebes Kind, ich habe viel gelitten.“ Man fragt sich, was die inzwischen 66 wegen ihr massakrierten Männer zu diesem Monolog sagen würden.
Nach einigem Hin und her gelingt es den beiden Liebenden, heimlich zu heiraten. Sogar Zeit für sexy-time findet sich, immerhin. Marie würde nach all dem Schaden, den sie angerichtet hat, gern in eine bürgerliche Existenz zurückkehren. Allerdings hat Hulot da noch ein Wörtchen mitzureden. Er rächt seine gefallenen Offiziersfreunde, indem er seine Soldaten das Haus stürmen lässt. Der Marquis de Montauran wird erschossen, Marie im Eifer des Gefechts mit dem Bajonett erstochen. Drastisch, doch es musste so kommen.
Nach diesem blutigen Sieg hat Hulot noch einen Tipp für seinen Kollegen Corentin. Man darf annehmen, dass die beiden in Zukunft nicht mehr zusammen arbeiten werden: „Da dein Geschäft hier zu Ende ist, (…) so pack dich, aber betrachte dir zuvor noch einmal genau das Gesicht des Kommandanten Hulot, damit du ihm nicht wieder über den Weg läufst, sofern du nicht willst, daß er dir seinen Säbel im Leibe herumdreht.“

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2 Gedanken zu “Die Königstreuen, Teil X

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