BAND 55: Tante Lisbeth, S. 235 – 285
Drei Jahre ziehen ins Land. Baron Hulot hängt nur noch bei seiner Affäre Valerie herum, die ihn ordentlich schröpft. Seine Frau, die Baronin, verkommt derweil im Elend, wovon er aber nichts mitkriegt. Auch Crevel darf inzwischen bei der kleinen Valerie ran. Durch die Zuwendungen ist sie längst reich, muss dafür im Bett aber ordentlich ackern. Ihr Mann findet das gut. Und Lisbeth? Lisbeth so: „In Valerie war sie verschossen wie ein Bauernbursch in eine dralle Dirn. In ihrer sklavischen Unterwürfigkeit empfand sie Wollustschauer. In den Morgengesprächen mit Valerie empfand sie stärkere Befriedigung als in ihrer Affenliebe zu Wenzeslaus.“
Auf den hat die unersättliche Valerie übrigens auch ein Auge geworfen. Lisbeth verspricht, ihn ihr zuzuführen, weil sie sich damit auch für die Hochzeit zwischen ihm und Hortense rächen kann. Ein durchtriebenes Ding, diese Lisbeth. Besonders viel Mitleid kann man mit Wenzeslaus derweil nicht haben, denn der Erfolg hat ihm wie so vielen Künstlern nicht gut getan: „Ein allzufrüher Ruhm, dem besondere schöpferische Leistungen eigentlich nicht gegenüberstanden, die schmeichelhaften Kritiken, die die Gesellschaft ihm, ohne sich viel dabei zu denken, zollte, hatten sein Selbstbewußtsein mächtig hochgeschraubt. Er hatte schon den Anflug jener Blasiertheit, die das Talent immer mehr auf Kosten eines überheblichen Dünkels zurückdrängt.“
Beste Figur:
Herr Marneffe, der Ehemann und Kuppler Valeries, der sich bei all der Unzucht in seinen vier Wänden ins Fäustchen lacht: „Er war gleichsam die wandelnde Pest in eleganten Kleidern. Seine Beine klapperten in der Hose wie zwei morsche Bohnenstöcke. Die grauwelke Haut wurde von der schneeweißen Wäsche verdeckt, und ein starkes Parfum mußte die Pestilenz der Ausdünstungen aufsaugen und abdämpfen. (…) Die Ekelhaftigkeit dieses triefenden, und dazu noch auf Stöckelschuhen einherstolzierenden Lasters wirkte auf Crevel wie ein abscheuliches Brechmittel.“
Beste Stelle:
Wenn Hortense in die schwarze Zukunft ihrer Mutter blickt, und dabei das schlimmste Los, den absoluten Supergau auf sie zukommen sieht: „Weißt du, Lisbeth, ich habe so große Angst, Mutter wird noch einmal dazu kommen, sich durch ihrer Hände Arbeit etwas zu verdienen.“
Wahrlich, ein solches Schicksal würde man nicht mal seinem schlimmsten Feind wünschen.
Pingback: Tante Lisbeth, Teil V | CLINT LUKAS
Pingback: Tante Lisbeth, Teil VII | CLINT LUKAS