BAND 55: Tante Lisbeth, S. 131 – 183
Empört über die Verderbtheit seiner Geliebten macht der Baron Hulot das Naheliegende: Er geht zu seiner Ehefrau und heult sich bei ihr aus. Die verbirgt ihren Kummer über seine Treulosigkeit und reicht ihm noch das symbolische Taschentuch: „Ich würde nicht für alles Gold der Welt auf dich verzichten. Wie kann man dich lassen, wenn man das Glück hat, von dir, du Einziger, geliebt zu werden.“ Der Baron, zu Tränen gerührt über ihre Ergebenheit, beschließt prompt, sich eine neue Geliebte zu suchen.
Er findet sie direkt in der Bürgersfrau Valerie Marneffe, einer Nachbarin von Tante Lisbeth. Um sich unauffällig dort herumtreiben zu können, nimmt er seine Tochter Hortense mit. Die hat ebenfalls ihre Gründe für den Besuch, denn im Erdgeschoss ist ein Antiquitätenladen, in dem eine Skulptur von Graf Steinbock verkauft wird. Der Künstler hockt sogar die ganze Zeit daneben, um nicht zu versäumen, wenn jemand nach dem Schöpfer des Kunstwerks fragt. Es kommt zur ersten Begegnung, die es gleich in sich hat: „Die Augen, mit denen die beiden sich jetzt umschlangen, waren eitel Feuer und Flamme. Und wen hätte das auch wundern können. Verliebte auf den ersten Blick kennen keine Verstellung.“
Ebenso begeistert von der ersten Regung ihrer Hormone wie Anna aus dem Disneyfilm „Frozen“, will Hortense den guten Steinbock sofort heiraten. Ihre Eltern sind zwar überrascht, haben im Grunde aber nichts dagegen, immerhin ist er ein polnischer, wenn auch verarmter Edelmann. Der Baron Hulot schanzt ihm direkt den Auftrag für ein Denkmal zu. Man ist sich nur einig, dass die bevorstehende Heirat vor Tante Lisbeth geheim gehalten werden sollte.
Leider ruiniert der Baron mit seiner Geilheit sofort alles. Um seine neue Mätresse Valerie besser kontrollieren zu können, begünstigt er nämlich eine Freundschaft zwischen ihr und dem bösen Tantchen. Und wie die Weiber so sind, erzählen sie sich alles brühwarm, Valerie weiß längst über die geplante Hochzeit bescheid. „Tante Lisbeths Aussehen erschreckte sie. Man konnte Angst vor diesem Gesicht bekommen. Die schwarzen stechenden Augen waren starr wie Tigeraugen geworden, das Gesicht hexenartig verschrumpft, der ganze Körper zitterte in galligen Krämpfen, der Kopf rauchte und in den Zähnen klapperte der Frost.“
Da werden sich die Hulots wohl warm anziehen müssen.
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