Kehrseite der Geschichte unserer Zeit, Teil V

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Wieder ein Samstagmorgen, an dem man ohne seine Tochter erwacht. Nach den vielen Unregelmäßigkeiten durch die Sommerferien hat man sie auch an diesem Wochenende nicht zu sich geholt, weil man gegen Mittag für eine Lesung nach Wuppertal fahren muss.
Vereinbart wurde diese Lesung im Frühjahr, als man nicht wissen konnte, wie sehr man sein Kind vermissen wird. Zwar freut man sich auf das Abenteuer, auf Zugfahrt, Trinken, Hotel und Rampenlicht, darauf, den Kollegen Hank Zerbolesch kennenzulernen, aber man fasst auch einen Entschluss: Von nun an wird man Lesungen an Wochenenden entweder absagen, oder man wird seine Tochter dorthin mitnehmen. Dass man es hiermit niedergeschrieben hat, sollte die Sache rechtskräftig machen.

BAND 51: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit, S. 201 – 250

Gottfried kämpft mit sich selbst. Einerseits möchte er seinen Ordensbrüdern in ihrer völligen Selbstaufopferung nacheifern, andererseits quält ihn die Neugierde: „seine Wohltätigkeitsmission war nur noch ein Vorwand, sein Ziel war, die Kranke zu Gesicht zu bekommen. Er konnte nicht glauben, daß ein Wesen mit solch einer Stimme ein Gegenstand des Widerwillens sein könne.“
Er findet heraus, dass die Portiersfrau zusammen mit dem Vermieter ein Komplott plant, um dem alten Herrn Bernard das Buch zu rauben, das er gerade schreibt. Gottfried schwört, ihm zu helfen, wodurch er die ersehnte Einladung erhält, das kranke Fräulein Wanda zu besuchen. Während die ganze Wohnung das bitterste Elend atmet, wohnt sie in einem Zimmer voller Blumen und Luxus. Ihr Vater meint, dass sie sterben würde, wenn sie von der prekären Lage der Familie erführe. Lieber hält er also eine Illusion aufrecht und ruiniert sich damit. Schon klar, als Romanfigur handelt man eben extremer als gewöhnliche Menschen.
Das besagte Fräulein Wanda, obwohl zahnlos und irrsinnig, bezaubert Gottfried: „Sie war nur noch ein Antlitz mit sehr weißem, um die Augen von den Schmerzen dunkel gewordenem Teint, in welchem Feueraugen brannten“. Er unterstützt nach Kräften die Farce, die man spielt, um sie am Leben zu erhalten, und verspricht ihr ein Akkordeon. Dann geht er zu dem berühmten jüdischen Arzt Halpersohn, der die Besessene heilen soll.

Beste Stelle:

Man stellt sich die Frauen auch bei den furchtbarsten Leiden gern elegant vor.“

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2 Gedanken zu “Kehrseite der Geschichte unserer Zeit, Teil V

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