BAND 51: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit, S. 151 – 200
Gottfried möchte unbedingt Mitglied in der Bruderschaft der Wohltäter werden. Nachdem er vier Monate nach ihren Regeln gelebt hat, erhält er nun die Chance sich zu beweisen. Denn an seiner Demut gilt es noch zu feilen: „Sie betrachten unser Tun wie das der Kalifen in ,Tausendundeiner Nacht‘, und Sie empfinden schon im Voraus eine Art Genugtuung, die Rolle des guten Genius in Wohltätigkeitsromanen, die Sie sich zusammenzudichten belieben, zu spielen!“
Aus seiner Hilfsbereitschaft muss jedoch jede Eitelkeit verschwinden. Die Mission, die Gottfried übertragen deshalb wird, klingt wie die für einen Geheimagenten. Er soll sich in ein bestimmtes Haus im Armenviertel einmieten, wo der alte Herr Bernard mit seiner schwerkranken Tochter wohnt, und herausfinden, ob diese wirklich so bedürftig sind, wie es den Anschein hat. Falls ja, würden sie nämlich die finanzielle Unterstützung aus dem Vermögen der Frau de la Chanterie erhalten, um die Arztrechnungen bezahlen zu können. Gottfried darf aber nicht als Wohltäter auftreten, um den Stolz des Alten nicht zu verletzen. Auch noble Spenden können ein heikles Unterfangen sein.
Kaum meldet Gottfried Interesse an der Wohnung an, wird er direkt von Herrn Bernard angesprochen, der ihn bittet, nicht einzuziehen. Wie man erfährt, leidet seine Tochter unter einer unerklärlichen Krankheit, die mangels medizinischer Erklärungen nur für Besessenheit gehalten werden kann: „So wollte sie zum Beispiel in ein frisch geschlachtetes Schwein hineingesteckt werden; dann gab sie an, man solle ihr mit stark magnetisiertem, glühend gemachtem Eisen in die Beine stechen… man solle ihr heißes Siegelwachs über den Rücken hinabfließen lassen…“
Ein weiteres Hobby der Ärmsten: Sie bellt wie ein Hund. Es muss deshalb eine Zumutung für jeden Nachbarn sein, neben dieser Kranken zu wohnen. Gottfried lässt sich jedoch nicht abschrecken, sondern versichert Herrn Bernard seiner tatkräftigen Unterstützung.
Pingback: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit, Teil III | CLINT LUKAS
Pingback: Kehrseite der Geschichte unserer Zeit, Teil V | CLINT LUKAS