So. Montagmorgen. Neue Woche, neues Glück. Man ist fest entschlossen, sich aus dem Balzac-Tief herauszuwinden, möge der aktuelle Band noch so anstrengend sein. Wie der verstorbene Koch-Freund Sven immer sagte: Die Arme müssen beim Arbeiten eine gleichmäßig rotierende Scheibe bilden. Man setzt sich also auf den Stuhl, stemmt die Beine gewichtig auf den Boden, krempelt die Ärmel hoch und beginnt die Lektüre.
BAND 49: Die Beamten, S. 38 – 101
Man lernt den Generalsekretär des Lupeaulx kennen, einen Schleimer und Opportunisten, der sich durch unfeine Schliche in seine hohe Position geschummelt hat. „Er umschmeichelte und beriet seinen Minister, weil er schmeicheln mußte, um zu beraten, weil er ihn beim Schmeicheln beraten mußte und die Schmeichelei unter dem Rat verstecken. So kommt es auch, daß fast alle Politiker, die dieses Handwerk treiben, ein recht gelbes Gesicht haben.“
Kluge Männer wie Xavier Rabourdin erkennen in ihm „ein verfaultes Brett, auf das den Fuß zu setzen man sich wohl hüten müsse.“ Frau Rabourdin dagegen zieht es vor, mit beiden Füßen darauf zu springen, weil sie sich Aufstiegschancen erhofft. Sie lädt des Lupeaulx regelmäßig in ihren Salon ein, wobei der alte Geck sich prompt in sie verknallt.
Es folgt ein langes Kapitel, in dem Balzac einem mal wieder gnadenlos unter die Nase reibt, das ihm sein Sittengemälde wichtiger ist, als ein eingängiger Roman. Versteht sich von selbst, dass ein Band mit dem Titel Die Beamten die besagte Zunft ausführlich darstellen muss. Alle drei Seiten tritt nun eine eine neue Figur auf, wird umfassend in ihrem Äußeren, ihrem Charakter, ihrer Tätigkeit beschrieben. Dann folgt die nächste.
Es fallen Sätze wie „Nur im Interesse ihrer Tochter hatte sie ihren Vater zu der Geschäftsverbindung mit Falleix bestimmt. Falleix war von dem alten Bidault bei den Saillard vorgestellt worden…“, ohne dass man die geringste Ahnung hat, um wen es eigentlich geht. Man möchte weder Geduld noch Geisteskraft aufbringen. Stattdessen sucht man verzweifelt bei Google nach einer Synopsis, um Licht in die Dunkelheit zu bringen, muss aber feststellen, dass es so etwas bei Google nicht gibt. Man scheint Pionier zu sein, und Pioniere können keine Abkürzungen nehmen.
Endlich wechselt die Handlung wieder in den Salon von Célestine Rabourdin, wo der ältliche des Lupeaulx schmachtend am Türrahmen lehnt: „Des Lupeaulx kam allmählich in das Alter, in dem die Männer sehr hohe Ansprüche an Frauen stellen. Die ersten weißen Haare bringen die letzten Leidenschaften mit sich, die heftigsten, weil sie aus einer Kraft hervorgehen, die sich ihrem Ende nähert, und aus einer Schwäche, die beginnt.“
Zufrieden über ihre Wirkung legt sich Célestine abends ins Bett, scheint die Beförderung ihres Gatten doch in trockenen Tüchern zu sein. Sie ahnt nichts von den zahllosen niederen Beamten (aus dem vorherigen Kapitel), die ebenfalls nach dem begehrten Posten geiern, „denn sie kannte nicht die Macht der Kleinheit, die Kraft des Wurms, der eine Ulme zernagt, indem er die ganze Rinde unterhöhlt. (…) So kommt auch hier der Augenblick, der geeignet ist, die Schiffswürmer zu zeigen, von denen die Bureaus wimmelten, in denen sich die hauptsächlichsten Teile dieser Studie abgespielt haben.“
Na gut, Honoré, na gut. Aber nicht heute. Morgen dann wieder.
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