Nach fünf Tagen am Nürburgring ist man wieder auf dem Weg nach Berlin. Fünf Tage, in denen man keine Minute allein sein konnte, und das als Person, die ihre Kraft ausschließlich aus wohlportionierter Einsamkeit zieht. Das Hotelzimmer (und das Bett) teilte man sich mit dem Kollegen Olli, am Frühstückstisch saßen jeden Morgen bereits die Techniker des Rennstalles und grüßten. Von 8 bis 20 Uhr stand man im Paddock der Rennstrecke und kochte, abends betrank man sich, um zu vergessen.
Man ist überhaupt nur mitgekommen, um die Lücke zu füllen, die der verstorbene Koch-Freund hinterlassen hat, um Familie und Betrieb zu unterstützen, um eine Normalität wiederherzustellen, die sich nicht herstellen lässt. Es war gute Trauerarbeit, man machte die gleichen Witzchen, die man früher auch gemacht hat und die vermutlich das Klima in jeder Gastro-Küche prägen.
Trotzdem ist man geschröpft, man möchte allein sein. Für Balzac war in diesen Tagen natürlich auch keine Zeit, weshalb man die Beiträge im Vorfeld schon vorbereitet hat. Was im Grunde gegen die Regeln des Blogs verstößt. Lucien de Rubempré hat sich in seiner Zelle erhängt, das weiß man noch, nun muss man wieder den Einstieg ins Buch finden.
Im Autoradio läuft WDR 4, die besten Hits der dümmsten Dekaden, dazwischen Berichte über die Inflation, über den brennenden Grunewald, über ein ukrainisches Atomkraftwerk, das beschossen wird. Dann wieder Phil Collins. Man fährt durch das Ahrtal, das im letzten Jahr überflutet wurde, überquert kurz darauf den Rhein, der wegen der Dürre kaum Wasser führt. Wo das alles noch hinführen soll, weiß man genauso wenig wie sonst, aber in Einsamkeit könnte man wenigstens dezente Abwehrkräfte aufbauen. Während man diesen Satz schreibt, wird man von den Kollegen geneckt. Sie wollen wissen, was man schreibt. Man schaut aus dem Fenster. Man sieht einen Stau.
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