Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang, Teil IX

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Wieder einen der längeren Romane geschafft. Er war nicht so ärgerlich wie beispielsweise Die Lilie im Tal, aber erfreulich war er auch nicht. Man fühlte sich beim Lesen, als wäre man bei der Arbeit. Was sicher auch den vergangenen Einträgen anzumerken war. Man wollte es hinter sich bringen. Überhaupt hadert die eigene Motivation mit dem verflixten letzten Drittel des Lesestoffs.
Es ist der gleiche Effekt, der sich beim Romanschreiben häufig einstellt. Sobald man die Hälfte geschafft hat, wird man übermütig und hat das Gefühl, der Rest würde sich leichtfüßig und ganz von allein erledigen. Dann kommt das Tief im letzten Drittel, das sich am längsten zieht. Spannungsbögen müssen aufgelöst werden, Entwicklungen abgeschlossen, am liebsten würde man alles hinschmeißen und ein neues Buch anfangen. Oder noch besser: Überhaupt nichts mehr schreiben. Aber es geht immer weiter. Tag für Tag. Eine Stunde Balzac. Ein Buch nach dem anderen. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.

BAND 47: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang, S. 401 – 449

Mithilfe seine Onkels schafft es Birotteau, einen Vergleich mit seinen Gläubigern abzuschließen. Sie werden zu 60% entschädigt, womit seine Ehre gerettet ist. Das reicht dem Parfümhändler aber nicht, er will weiter schuften, um auch die restlichen Schulden bezahlen zu können. Schon klar, es ist schließlich ein Roman, da muss alles mit besonderem Nachdruck geschehen.
Vierzehn Monate lang schuftet und spart er nun in fanatischer Askese, wodurch er sich ein größeres Ansehen in der Pariser Geschäftswelt erarbeitet, als zu seinen Glanzzeiten. Sogar der König ist davon so gerührt, dass er ihm persönlich 6.000 Francs aus seiner Privatschatulle schenkt. Der gehässige du Tillet findet das natürlich alles blöd, aber er muss ja auch seine Lektion lernen.
Schließlich könnte es ein Happy End geben, denn Cäsar gelingt seine vollständige Rehabilitierung. Seine Tochter heiratet den fleißigen und durch das Haselnuss-Öl reichgewordenen Popinot, der den Birotteaus sogar ihre alte Wohnung wieder beschafft. Die Freude darüber ist allerdings zuviel für den armen Cäsar. Er stirbt an einem Herzinfarkt. Ja, gut, kann man so machen.

Beste Stelle:

Wenn der wahre Grund für Cäsars Niedergang enthüllt wird: „Die Gleichgültigsten bekamen einen ungeheuren Begriff von dem Sturz der Menschen aus ihrer Höhe, wenn sie das Gesicht dieses Mannes ansahen, in das der schwärzeste Kummer seine Zeichen gegraben hatte, und das von dem, was es niemals früher beschäftigt hatte, zerstört wurde: dem Nachdenken.“

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2 Gedanken zu “Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang, Teil IX

  1. Pingback: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang, Teil VIII | CLINT LUKAS

  2. Pingback: Glanz und Elend der Kurtisanen, Teil I | CLINT LUKAS

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