BAND 44: Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan, S. 56 – 85
In einem pompösen Geständnis klärt Diane den unbedarften Daniel über ihre Vergangenheit auf. Allerdings ist das meiste davon gelogen. Das sieht man ihr als Leser zwar nach, weil sie schon so viele spaßige Auftritte in der Comédie hatte, doch fürchtet sie sich zurecht davor, dass ihre alten Bekannten ihre Lügen entlarven werden.
Sie entscheidet sich für eine Flucht nach vorn und schickt Daniel mitten hinein ins Schlangennest, in den Salon der Marquise d’Espard. Wie es der Zufall will, sind dort fast alle ihrer ehemaligen Liebhaber anwesend: „Nun: außer Ihnen – dies schließe ich aus Ihrer guten Meinung über die Fürstin – haben alle Gäste, sagt man, ihre Gunst genossen.“
Überall hämische Blicke, die boshaften Anwesenden hoffen darauf, dass Daniel sich blamieren wird, indem er Diane als Liebender verteidigt. Doch dafür ist er viel zu sehr Staatsmann. Er ahnt zwar, dass seine Angebetete nicht ganz ehrlich zu ihm war, doch als großer Geist verteidigt er sie trotzdem: „Es ist das höchste Unrecht dieser Frau, daß sie den Männern ins Gehege kommt (…) Sie verschleudert ihren Besitz wie sie, sie schickt ihre Liebhaber zu Wucherern, sie verschlingt eine Mitgift, sie ruiniert Waisen, sie stürzt alte Schlösser, sie inspiriert und begeht auch vielleicht Verbrechen; aber…“
Und dann das feministische Plädoyer:
„die Frau Fürstin Cadignan hat vor den Männern einen Vorzug: wenn man sich für sie in Gefahr gestürzt hat, so rettet sie einen und sagt über niemanden Schlechtes. Warum soll sich nicht unter den vielen eine Frau finden, die sich über die Männer lustig macht, wie die Männer über die Frauen sich lustig machen? Warum soll das schöne Geschlecht nicht von Zeit zu Zeit Rache nehmen?…“
Nach dieser Rede sind alle platt. Daniel hat den Karren aus dem Dreck gezogen. Diane ist stolz und verliebt und man darf annehmen, dass sich hier das vielversprechendste Paar dieses Mammutwerkes gefunden hat.
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