Tag zwei in Neapel. Das Konzept Urlaub noch immer befremdlich, nachdem man gerade einen seiner besten Freunde verloren hat. Die Wendung „Das Leben geht weiter“ eher niederschmetternd als tröstlich. Denn was ist Freundschaft schon wert, wenn es auch eine Existenz ohne sie geben kann.
Doch man will sein Kind nicht enttäuschen. Deshalb Neapel. Das Gelsenkirchen des Mittelmeers. Italiens Antwort auf die Slums von Kalkutta. Um den Tag zu füllen, bucht man eine Tour nach Pompeji und zum Vesuv. Wirkung und Ursache der Stunde, die uns allen mal schlägt.
Man befindet sich in einer Gruppe von dreißig Amerikanern. Langsam schleppt man sich vor und hinter anderen Gruppen von Amerikanern ins Ruinenfeld. Offenbar hat der geschmolzene Bimsstein vor 2.000 Jahren jede Spur von schattenspendender Vegetation entfernt. Es wurde Wert darauf gelegt, diesen Zustand beizubehalten. Vierzig Grad im Schatten, ohne Schatten. Man sondert sich von der Gruppe ab, um dem Kind die Monologe der Reiseführung zu ersparen.
Man irrt durch gepflasterte Straßen, an die gehässige Sonne geschmiedet. Überall Amerikaner, man wünscht sich fast die Chinesen zurück. Das Kind möchte lieber in einem klimatisierten Zimmer sitzen und Ladybug schauen. Man kann es ihr nicht verdenken. 2.000 Jahre alte Mosaike könnten einem nicht mehr am Arsch vorbei gehen, als in diesem Augenblick.
Vollkommenes Scheitern. Einziger Moment der Erleichterung: Der Entschluss, nicht mehr zum Vesuv zu fahren. Man sitzt im Mini-Van, getrockneter Schweiß bildet unschöne Ringe auf den Textilien. Man tauscht einen Blick mit dem Kind. Ein amerikanischer Familienvater redet mit seinen Teenager-Töchtern: „I know, that you guys weren’t so much into it, but I really liked it actually. Especially the duomo. Didn’t know that it was somewhat significant. Interesting and georgeous at the same time. Moving.“
BAND 42: Die Herzogin von Langeais, S. 146 – 193
Um ihm ihre Liebe zu beweisen, lässt die Herzogin ihren Wagen den ganzen Tag vor Montriveaus Haus stehen. Im klatschsüchtigen Paris gibt es kein eindeutigeres Eingeständnis einer Affäre. Um sie vor einem Skandal zu bewahren, immerhin ist die Gute ja auch noch verheiratet, treffen sich ihre engsten Verwandten zur Beratung, darunter die elegante, steinalte Prinzessin Blamont-Chauvry. Doch es hilft alles nichts, die Herzogin tritt am Ende ins Kloster ein, womit man wieder am Beginn der Story angekommen ist.
Montriveau, inzwischen doch wieder verliebt, bricht mit seinen geheimnisvollen Brüdern dort ein, allerdings zu spät: Seine Geliebte Herzogin von Langeais ist vor Kummer verschieden. Am Schluss ist er entsprechend traurig, doch sein Waffenbruder, der Marquis von Ronquerolles spricht ihm Trost zu: „und für die Zukunft begnüge dich mit Liebeleien – aber Liebe? … Mein Freund, man muß Liebe an die rechte Stelle zu setzen wissen: Nur des Weibes letzte Liebe ist der ersten des Mannes wert.“
Beste Figur:
Die greise Prinzessin Blamont-Chauvry: „In ihren Runzeln lag eine gefürchtete Freundlichkeit, in ihren Augen ein erstaunliches Feuer, in ihrem Auftreten eine vollendete Würde, auf ihrer Zunge ein Geist mit Stacheln und Widerhaken, in ihrem Schädel ein unfehlbares Gedächtnis – kurz, dieses alte Weib war eine tatsächliche Macht. (…) Sie kannte die Stammbäume der europäischen Fürsten-, Herzogs- und Grafengeschlechter bis zu den letzten Zweigen der Zeit Karls des Großen, und ihr entging daher auch die geringste Titelanmaßung nicht.“
Beste Stelle:
Wenn Balzac kurz vor Schluss ein weiteres Mitglied der ominösen Bruderschaft der Dreizehn enthüllt, das sich trotz seiner hohen Pariser Stellung nicht zu schade ist, mit einem Dolch zwischen den Zähnen in spanische Klöster einzubrechen: Henri de Marsay!
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