BAND 41: Ferragus – Das Haupt der Zerstörer, S. 137 – 175
Da das Geheimnis ihrer Herkunft nun gelüftet ist, haucht Clémence auf dem Bett ihr Leben aus. Szenen und Gespräche von tiefstem Pathos: „In stummer Großmut verzieh sie dem Manne, der wie kein andrer geliebt worden war und sie dafür zu Tode getroffen hatte.“
Man wird ärgerlich, weil das Buch mit der Figur des Ferragus so vielversprechend begann und nun zum schmalzigsten Kitsch verkommt. Was will der Meister einem damit sagen? Will er einem vor Augen führen, wie fatal die Regeln der Gesellschaft für das Individuum sind? Meine Güte, dann ist Clémences Vater eben ein entflohener Sträfling. Deshalb muss man doch nicht gleich einen auf Effi Briest machen.
In ihrem Abschiedsbrief gibt Clémence ihrem Jules noch ein paar holde Anweisungen: „Nimm dich der Unglücklichen an! Nur auf ihre Tränen, nur auf ihr Lächeln werde ich nicht eifersüchtig sein. Welch süßer Trost läge in solcher Wohltätigkeit.“ Ja, wahrhaftig ein solch süßer Trost, dass man an Spontandiabetes eingehen möchte, um mit Kirsten Fuchs zu sprechen.
Ein paar Seiten später bei der Beerdigung dann wieder Worte, die einen zu Tränen rühren, vielleicht, weil man selbst gerade einen geliebten Menschen verloren hat: „Die Gewölbe einer Kirche sind nicht leblos; sie beben, sie klagen, sie drohen – durch die Macht des Widerhalls. Und wenn sie erzittern, dann ist es, als ständen zahllose Tote auf und streckten die Hände flehend zur Höhe. Dann ist‘s nicht Vater, Mutter oder Kind, was dort unter dem schwarzen Tuche liegt – die ganze Menschheit scheint zum Staub zurückzukehren, dem sie entstammt!“
Auf jeden Fall muss ein gewisser Teil der Menschheit nun dran glauben. August de Maulincour stirbt, ebenso seine Großmutter und Ida, die Geliebte von Ferragus. Der vegetiert als verblödeter Greis im Park vor sich hin und schaut den Boulespielern zu. Ein merkwürdiges Ende nach einem famosen Start, vielleicht hatte Balzac wieder mal keine Lust mehr auf seine Figuren.
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