Bukowski-Symposium. Man betritt die Bamberger Volkshochschule während des Vortrags von David Calonne, der per Zoom-Meeting aus Michigan zugeschaltet ist. Der erste Blick, den man in die Runde wirft, trifft zufällig den von Marina Bukowski. Sie grinst, man grinst zurück, und ist sich trotzdem nicht sicher, ob sie einen erkannt hat. Immerhin ist das letzte Treffen sechs Jahre her. Außerdem sind diese Amerikaner ja im ersten Moment immer euphorisch und zutraulich, vergessen einen aber, sobald man um die nächste Ecke gebogen ist.
Als der Vortrag endet, nähert man sich ihr vorsichtig auf der Terrasse. Sie ist im Gespräch mit einem jungen Pärchen. Man will sich nicht aufdrängen. Doch als sie einen sieht, unterbricht sie den Satz und kommt auf einen zu. Umarmung. Man tauscht unbeholfen die üblichen Floskeln aus. How are you? I’m fine, how are you. So nice to see you again. Danach fragt sie einen nach dem Befinden der eigenen Tochter. Stellt einem das junge Pärchen vor, das sich als Charles Bukowskis Enkelsohn und seine Freundin herausstellt. Sie erzählt den beiden Anekdoten von 2016, die einem zeigen, dass sie sich an jeden Moment des letzten Treffens erinnern kann. Man steht selig daneben.
Abends klassisches Konzert und Lesung von Nora Gomringer, die bei ihrem Vortrag ein Whiskyglas schwenkt, aus dem sie nie trinkt. Bukowski-Gedichte über Bruckner und Wagner und Sibelius. Man hat einen ähnlichen Musikgeschmack, doch auf dem Programm stehen nur Haydn, Prokoviev und öde Beethoven-Kammermusik.
Zusammen mit Freund Moses, der von München angereist ist, verlässt man nach drei Minuten die Kirche, in der die Veranstaltung stattfindet, um Bier trinken zu gehen. Wirtshaus-Sitznachbarn, die sich als sympathisch erweisen. Er Tenor in einem professionellen Chor, sie hat im gleichen Berliner Hospiz gearbeitet, in dem man selbst seinen Zivildienst gemacht hat. Nach eineinhalb Stunden holt man Marina wieder aus der Kirche ab und erfüllt Moses den Traum, Fotos von ihm mit ihr zu schießen. Emotionale Szenen. Um wieder klarzukommen, setzt man sich zu den anderen Symposiumsteilnehmern und startet mit letzter Konsequenz den Alkoholisierungsprozess.
BAND 38: Ursula Mirouet, S. 201 – 255
Ursula wird neunzehn, der Doktor stirbt. Zwar hat er dafür gesorgt, dass sie den größten Teil seines Erbes erhält, doch leider hindert ihr Wolkenkuckuckshirn sie daran, es auch in Anspruch zu nehmen. Statt das Testament aus dem Versteck zu holen, verbummelt sie die Zeit mit Gebeten. Einer der Erben kommt ihr zuvor und verbrennt es.
Ihre relative Armut trägt sie fortan mit einem solchen Märtyrertum zur Schau, dass nicht nur der Leser genervt ist, sondern auch der böse Erbe. Um sie aus Nemours zu vertreiben, setzt er deshalb den hinterlistigen Notarsgehilfen Goupil auf sie an. Der verschickt ein paar anonyme Briefe, woraufhin Ursula sofort an der Liebe ihres angebeteten Savinien zweifelt. Statt mal mit ihm darüber zu reden, reagiert sie hysterisch: „In einem einzigen Augenblick fühlte sie, daß die Kälte des Todes mitten in der Wärme eines schönen Daseins sich findet! Ach, es war noch schlimmer! Es glich tatsächlich dem fürchterlichen Erwachen der Toten, die erfahren, daß es keinen Gott gibt“.
Pingback: Ursula Mirouet, Teil IV | CLINT LUKAS
Pingback: Ursula Mirouet, Teil VI | CLINT LUKAS