Eigentlich hätte man an diesem Abend erneut Lesung mit Roland gehabt, dessen Biographie man während der Corona-Pandemie schrieb. Ironischerweise fällt das Event nun aufgrund eines Corona-Falles in der Familie aus. Man ist darüber nur mäßig betrübt. Jede Lesung mündet potentiell in ein zwangloses Besäufnis, man wäre am Morgen danach verkatert, wo man doch im Endspurt des nächsten Biographie-Projektes ist.
Hinzu kommt die Anwesenheit von Freund Moses aus München, mit dem man zum Frühschoppen im Bierbrunnen verabredet ist. Wer mit einem Oktoberfest-Trinker um zehn Uhr zu lumpen beginnt, kann selten um 18 Uhr nüchtern auf einer Bühne sitzen. Dank Corona ist der Abend nun frei, man kann sich also nach Herzenslust und bis zur Blindheit die Rüstung wegrömern. Carpe Diem, wie schon Konfuzio gesagt hat.
BAND 37: Junggesellenwirtschaft, S. 101 – 150
Die Mutter Bridau lebt arm aber friedlich bei ihrem Sohn Joseph. Obwohl sie ihm täglich beim Arbeiten zuschaut, hat sie keinerlei Verständnis für seinen Beruf: „Sobald ein Maler oder ein Modell kam, ging sie fort. Sie fühlte sich in der tiefen Stille des Ateliers wohl, obgleich sie vom Wesen und Handwerk der Kunst nichts begriff. Darin änderte sie sich nicht, (…) erstaunte nur immer wieder, daß man Dinge wie Farbe, Komposition, Zeichnung so wichtig nehmen konnte.“
So ist das nun mal, Berufungen und Eltern sprechen selten die gleiche Sprache. Weil endlich mal alles rund läuft, kommt sie natürlich auf die Idee, wieder Kontakt zu Philipp aufzunehmen, Joseph soll sein Porträt malen. Es endet damit, dass Philipp ein Rubens-Bild klaut, zum Glück nur die Kopie. Anschließend droht er in den Knast zu kommen und fordert deshalb 12.000 Franken von seiner bettelarmen Mutter, die wieder weich zu werden droht: „Sie sah nicht mehr den Mörder ihrer armen Tante, die Geißel der Familie, den Hausdieb, den Spieler, Säufer, gemeinen Wüstling; sie sah nur noch einen Genesenden dicht vor dem Hungertode, einen armen Raucher ohne Tabak.“
Man fragt sich, ob es in diesem Buch nun einfach immer so weiter gehen wird, Philipp ein ums andere Mal Scheiße baut und wieder gerettet wird. Doch dann folgt ein Ortswechsel. Mutter Bridau soll mit Joseph in ihre Geburtsstadt Issoudun reisen, um ihren Teil am Erbe zu retten, das ihr zurückgebliebener Bruder ihr zu verweigern droht.
Man erfährt, dass diese Kleinstadt ihren eigenen Philipp hat, ebenfalls unbelehrbarer Bonapartist und Tunichtgut, der bereits eine junge Schwangere zu Tode erschreckt hat und damit durchgekommen ist. Dieser Maxence Gilet, kurz Max, führt eine Art Burschenschaft mit dem Namen „Ritter des Müßiggangs“ an, die die Bevölkerung mit grobem Unfug quält. Ihren größten Streich bereiten sie just in dem Moment vor, als Mutter und Joseph Bridau in die Stadt kommen.
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