BAND 36: Die Muse der Provinz, S. 101 – 150
Etienne Lousteau kriegt im Laufe des Abends langsam Bock auf Dinah: „Der Gedanke, in wenigen Augenblicken eine Festung zu erobern, die seit neun Jahren den Bewohnern von Sancerre widerstand, war Lousteau sehr verlockend.“ Er zeigt ihr das auch recht unverblümt, was die bisher Ungeliebte geneigt zur Kenntnis nimmt.
Bevor die beiden sich jedoch annähern können, kommt Balzac wieder mit seinem merkwürdigen Flickwerk um die Ecke. Ein Bote erscheint mit Korrekturfahnen aus Paris, die Lousteau durchsehen soll. Sie sind eingewickelt in alte Manuskriptseiten eines Romans aus napoleonischer Zeit: „Olympia oder die römische Rache.“ Lousteau zitiert daraus über die nächsten fünfzehn Seiten, sehr zum Leidwesen der provinziellen Partygäste und des Lesers.
Um das Techtelmechtel zu beschleunigen, gibt Bianchon der unbedarften Dinah einen ärztlichen Rat: „Wenn Sie so weiter leben, wie Sie jetzt leben, sind Sie in drei Jahren abschreckend“. Lousteau erklärt: „Sie müssen meinen Freund entschuldigen, (…) er ist immer Arzt, und die Liebe ist für ihn nur eine Frage der Hygiene.“
Die beiden landen schließlich allein in einer Kutsche. Allerdings muss Lousteau zu seinem Leidwesen feststellen, dass Dinah ein Organdikleid trägt. Of all things! Wo doch jeder weiß, dass es nichts Unpraktischeres für ein geheimes Bussi gibt: „Nur noch die Provinzlerinnen tragen Organdikleider, den einzigen Stoff, den man nicht wieder glatt streichen kann, wenn er einmal zerknüllt ist“. Aus purer Bosheit tut er dann genau das. Er zerknüllt das Kleid, um Dinah für sich zu beanspruchen. Zuerst ist sie sauer, doch bald schon sieht man in ihren Augen „die rasch aufleuchtende Zärtlichkeit (…), die den Blick einer Frau in der Stunde vergoldet, da die Vorsicht aufhört und die Hingerissenheit beginnt.“ Na, also.
Pingback: Die Muse der Provinz, Teil II | CLINT LUKAS
Pingback: Die Muse der Provinz, Teil IV | CLINT LUKAS