Pierrette, Teil IV

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BAND 35: Pierrette, S. 151 – 207

Wenn man sich erst einmal auf eine Antipathie eingeschossen hat, freut man sich über jede Gallone Öl, die ins Feuer des eigenen Ärgers gegossen wird. Pierrette stirbt schließlich, natürlich nicht bevor sie durch eine Unzahl von Torturen und falschen Hoffnungen gehen musste. Es gibt da nämlich einen Tischlerjungen, der sie von früher kennt und aus dem Haus der Rogrons befreien will. Dazu bringt er ihr Briefchen vorbei und vereinbart dafür ein spezielles Zeichen: „Du wirst mich schon hören, ich werde wie ein Käuzchen schreien. Glücklicherweise hat mein Vater mich diesen Schrei gelehrt.“
Ja, das ist wirklich ein Glück! Man stelle sich vor, sein Vater hätte ihm nicht den Ruf eines Käuzchens beigebracht. Dann könnte er gar nicht rufen, dreimal, wie ein Käuzchen.

Die böse Sylvia kriegt Wind vom geheimen Briefwechsel, nimmt aber an, dass es ihr Zukünftiger, der Hauptmann ist, der an Pierrette schreibt. Sie will ihrer kleinen Cousine den Brief entwenden, die wehrt sich, worauf der Drachen ihr so die Hand zerbeißt, dass sie amputiert werden muss. Der Tischlerjunge und Pierrettes Großmutter tauchen auf und befreien sie, holen die Star-Ärzte Bianchon und Desplein aus Paris, aber jede Hilfe kommt zu spät.
Man glaubt, dass man nun mit diesem grässlichen Fall abschließen kann, aber nein, nun lässt der Meister es sich angelegen sein, die Hoffnung auf Strafe der Bösewichter zu nähren. Und zu enttäuschen. Das Folterpack kommt ungeschoren davon, will kurz vor der Beerdigung sogar noch den Leichnam Pierrettes aus purer Bosheit aufschneiden lassen. Die Moral von der Geschichte: „Alle sozialen Betrügereien könnten immer aufs herrlichste durch die Gesetze gutgeheißen werden, nur ein Übelstand ist dabei: daß Gott immer noch existiert.“

Beste Stelle: Der Moment, in dem man realisiert, dass die Erinnerung an Pierrette in der Übermacht der schönen Balzac-Erlebnisse nach und nach verschwinden wird. Hätte man durch Zufall als erstes zu diesem Band gegriffen, das Projekt wäre mit sofortiger Wirkung beendet gewesen.

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3 Gedanken zu “Pierrette, Teil IV

  1. Pingback: Pierrette, Teil III | CLINT LUKAS

  2. Pingback: Die Muse der Provinz, Teil I | CLINT LUKAS

  3. ist natürlich alles subjektiv, aber ich finde pierette um einiges besser als der rezensent… so „realistisch“ war balzac nie mehr, auch hat er das thema kinderarbeit und kindesmisshandlung hier ziemlich akkurat behandelt… noch härter war dann eigentlich nur mehr dostojewski in „erniedrigte und beleidigte“… kein grosses meisterwerk, aber imho doch auch kein „groschenroman“… es fehlen halt die balzac-typischen bonmots und der humor, das hätte aber auch nicht zum thema gepasst… hier zeigt balzac, das er auch „depri“ kann

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