Die alte Jungfer, Teil IV

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Die neuesten Späße der Deutschen Bahn: Wie fast jeden Sonntag wollte man das Kind zu seiner Mutter nach Rostock bringen. Planmäßige Hinfahrt mit dem IC um 9.44 Uhr, Ankunft in Rostock um 11.37 Uhr. Kurze Mittagspause, dann Rückfahrt um 12.21 Uhr, Ankunft in Berlin um 14.17 Uhr. So der Plan, für den man 55,- Euro bezahlt hat, inklusive Bahncard50-Rabatt.
Erster Move der DB: Der IC um 9.44 Uhr fällt ersatzlos aus. Man steht eine Weile bedröppelt am Bahnsteig, geht dann wieder nach Hause, wo man die Zeit bis 11.44 Uhr totschlägt. Fahrt nach Rostock, kurze Mittagspause, der IC um 14.21 Uhr fällt dann ebenfalls ersatzlos aus. Man steigt in den Regionalexpress, der bereits mit schwitzenden Reisegästen überfüllt ist. Man fährt mit 20minütiger Verspätung los. In Waren/Müritz die Ansage, dass man 30 Minuten stehen muss, um einem Fernverkehrszug die Überholung zu ermöglichen.
Mit noch mehr Verspätung fährt man weiter, man ist 1,90m groß und stößt fortwährend mit Knien und Ellbogen an frustrierte Mitreisende, man versucht trotzdem zu schreiben. Wer sich gefragt hat, wozu die Haltestellen Kratzeburg, Fürstenberg und Gransee gut sind: Man kann dort gut jeweils fünf Minuten Verspätung draufschlagen, eine Angabe von Gründen ist nicht erforderlich. Man trägt die ganze Zeit Maske, man hat nichts zu trinken. Das Schreiben geht trotzdem erstaunlich gut von der Hand, was man ausnahmsweise nicht der DB anlasten will.
Ankunft in Berlin statt um 14.17 Uhr dann um 18.05 Uhr. Man freut sich aufs nächste Wochenende, an dem man die Strecke weitere vier Male fahren darf. Das Leben ist schön.

BAND 33: Die alte Jungfer, S. 143 – 187

Man fragt sich, was auf knapp fünfzig verbleibenden Seiten noch alles passieren soll, nachdem Rose dem hartnäckigen du Bousquier ihre Hand versprochen hat. Im nächsten Moment deuten böse Omen ein entsprechendes Nachspiel an: Die Braut betritt die Kirche zur Trauung mit dem linken Fuß zuerst, der Priester schlägt das Buch zufälligerweise beim „De profundis“ auf. Man muss googlen und erfährt, dass es sich dabei um die Anfangsworte des Psalmes 130 handelt, anscheinend ein traditionelles Totengebet.
Kurz darauf bringt sich der junge Athanasius um, was die Stadt sich mit seiner enttäuschten Liebe zu Rose erklärt. In Wirklichkeit war er einfach arm und hoffnungslos: „Am Abend vorher hatte der begabte junge Mann keinen einzigen Beschützer gehabt; am Tag nach seinem Tode riefen tausend Stimmen: ,Wie gern hätte ich ihm geholfen.‘ Es ist so bequem, den Wohltäter zu spielen, ohne daß es etwas kostet.“ Aus dem gleichen Grund bringen Hausbesitzer so gern Plaketten an ihren Wänden an, und prahlen noch mit den Künstlern, die unter ihrem Dach verhungert sind.

Durch die Heirat der alten Jungfer geht auch der Chevalier von Valois vor die Hunde, allerdings erst nach einem vierzehnjährigen Zerfall. Du Bousquier schafft sich mithilfe von Roses Geld ein eigenes, riesiges Vermögen, richtet ihr hübsches Haus auf eine Art her, die jedem rumänischen Bandenkönig Ehre machen würde: „Es war der schlechte Geschmack des Wechselagenten: Säulen aus Stuck, Glastüren, griechische Gesimse, Goldleisten, eine Vermengung aller möglichen Stile, ein Glanz ohne Sinn.“
Die arme Rose wird zur Hausfrau degradiert, darf die eigenen vier Wände kaum noch verlassen. Dass sie nicht nur kinderlos, sondern auch Jungfrau bleibt, trägt sie mit Fassung: „Gehorsam der Religion, die befiehlt, die Rute zu küssen, mit der man gezüchtigt wird, lobte und pries sie ihren Mann in der Öffentlichkeit.“

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2 Gedanken zu “Die alte Jungfer, Teil IV

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