Verlorene Illusionen, Teil II

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BAND 31: Verlorene Illusionen, S. 51 – 100

Wir erfahren mehr über Madame de Bargeton. Die zwar die Kunst in all ihren Formen schätzt, mangels Austausch mit Gleichgesinnten aber ein ulkiges Landei ist. „Unsere Lächerlichkeiten sind ja zum großen Teil Entstellungen eines echten Gefühls und wirklicher Vorzüge, denen es an Pflege gefehlt hat. Stolz, den nicht der Verkehr in der großen Welt modelt, verwandelt sich in Steifheit“.
Sie langweilt ihre zombiehaften Aristofreunde mit Gedichten auf den Sonnenuntergang, spielt die Leier, macht Konversation, wie man sie auch in Kreuzberg oder Neukölln am Nebentisch aufschnappen könnte: „Naïs ging unerträglich verschwenderisch mit Superlativen um und dies auch in der Unterhaltung, so daß die geringsten Dinge gigantische Umrisse annahmen. Typisch, Individualistisch, Synthetisch, Dramatisch, Superior, Kolossal, Engelhaft, Tragisch, das waren so ihre Worte, denn man muß die Sprache einen Augenblick vergewaltigen, damit die neuen Perspektiven sichtbar werden, an denen einige Frauen Geschmack finden.“

Für sie ändert sich alles, als ihr neuer Bekannter Baron Sixte du Châtelet den kleinen Dichter Lucien bei ihr einführt. Ausgestattet in der schönsten Mode, die seine Schwester sich vom Mund abgespart hat, erscheint er wie Apoll vor der liebeshungrigen Dame. Sie fangen an zu flirten, kommen in fünf Monaten schließlich soweit, dass Lucien sie mit dem nur für ihn reservierten Namen Louise anreden darf. In einem Moment höchster Leidenschaft wird sogar eine Stirn geküsst.
Natürlich sieht man es im Salon gar nicht gern, dass ein kleiner Bürgersohn sich wie selbstverständlich darin bewegt. „Die Leute, die darin zusammenkamen, waren die erbärmlichsten Geister, die schäbigsten Intelligenzen, die ärmsten Krautjunker auf zwanzig Meilen in der Runde; (…) Diese Gesellschaft ließ sich, wenn das Bild erlaubt ist, mit einem Tafelsilber vergleichen, dessen Formen veraltet sind und das schwarz geworden ist, dessen Gewicht aber nicht geleugnet werden kann.“

Der naive Lucien fühlt sich freundlich aufgenommen, dabei „begegneten sie ihm alle mit der vernichtenden Höflichkeit, die Leuten ihres Ranges im Umgang mit Tieferstehenden geläufig war.“ In dieser Situation kommt Louise auf die Idee, den Dichter bei einer großen Party auftreten zu lassen, um die Mäuler seiner Lästerer zu stopfen. Das ist nun genau der Moment, in der es Lucien einfällt, seinen Freund David mitbringen zu wollen. Louise schreibt einen Brief, in dem sie diesen Wunsch durch die Blume ablehnt, was Lucien nicht versteht.
Glücklicherweise verzichtet David von sich aus auf die Ehre, was ihm massiv Pluspunkte bei Luciens Schwester Eva beibringt. Die beiden gehen am Ufer der Charente spazieren, während Lucien sich seiner strahlenden Zukunft an der Seite von Louise zuwendet: „Von einer Minute zur anderen bewog sie Lucien, seine volkstümlichen Ideen über die schimärische Gleichheit von 1793 abzuschwören, und weckte bei ihm den Durst nach Auszeichnungen, (…) Der gehässige Liberale wurde Monarchist in petto. Lucien biß in den Apfel, der ihm gereicht wurde, er verschrieb sich aristokratischem Luxus und Ruhm. Er schwor, zu Füßen seiner Dame eine Krone niederzulegen, und sei es eine blutige;“

Beste Figur:

Der Baron du Châtelet, ein Emporkömmling aus napoleonischem Adel, der sich für den letzten Schrei hält, wenn er spontan einen Vierzeiler zum besten gibt, „der platt wie eine Ohrfeige war und den Gedanken durch den Reim ersetzte.“
Er hat es auf Madame de Bargeton abgesehen, die ihm wie ein Baum erscheint, „den düstere Misteln überwucherten und entstellten: er beschloß, sich ihrer Pflege zu widmen, das Gestrüpp auszureißen und die Früchte zu ernten.“
Natürlich war es dabei ein unglücklicher Move, ihr Lucien vorzustellen.

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2 Gedanken zu “Verlorene Illusionen, Teil II

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