Eugenie Grandet, Teil V

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Tage der Menschenmassen. Nachdem man sich schon am Samstag durch Demonstrationen und Polizeikonvois drängeln musste, am Sonntag versucht, den Großraum Berlin weitläufig zu umfahren, gerät man am Montag früh in die feiernden Pulks islamischer Fastenbrecher. Kein Gender-Sternchen, denn es sind ausschließlich Männer. Duftwolken aus Testosteron, Kreuzkümmel und Rosenwasser. Der U-Bahnhof Osloer Straße ist schon an normalen Tagen eine Herausforderung. Die Altstadt von Jerusalem strengt weniger an. Zumindest kann nun die Frage geklärt werden, die man sich auch schon im Angesicht des eigenen Kindes gestellt hat: Ist es möglich, von Zucker einen Vollrausch zu kriegen? Yes, it is.

BAND 30: Eugenie Grandet, S. 182 – 231

Der Plan des alten Grandet, um von den Schulden seines Bruders so wenig wie möglich zurück zahlen zu müssen, ist simpel. Er gibt ihnen ein bisschen was und hält sie dann mit Versprechungen hin. „Im Allgemeinen ist der Gläubiger eine Art Besessener. Heute ist er bereit, abzuschließen, morgen will er mit Feuer und Schwert losgehen; noch später ist er übergutmütig. Heute ist seine Frau guter Laune, sein jüngster Sprößling hat Zähne gekriegt, alles geht gut zu Hause, da will er nicht einen Sous verlieren; morgen regnet es, er kann nicht ausgehen, er ist melancholisch, er sagt ja zu allen Vorschlägen, die ein Geschäft zum Abschluss bringen können;“
Balzac muss wissen, wovon er schreibt, schließlich hat er die Hälfte seines Lebens damit zugebracht, Gläubiger hinzuhalten, zu täuschen, sich vor ihnen zu verstecken. Und auch man selbst konnte als Mitbewohner eines anarchistischen Kochs ohne Bankkonto beobachten, wie zahnlos der Biss der Inkasso-Unternehmen ist. Da kamen jeden Tag bunte Briefe, gelbe, blaue, von Boten zugestellte, mit immer dringlicheren Drohungen. Wo andere eingeknickt wären, blieb der Koch unbeeindruckt. Mit dem Ergebnis, dass die Gläubiger irgendwann zu Vergleichen bereit waren, um wenigstens einen Bruchteil der Schulden eintreiben zu können.

Während Charles in Indien sein Glück macht, sitzt die verliebte Eugenie in Saumur, leidet still und stolz vor sich hin. Denn: „Zu fühlen, zu lieben, zu leiden, sich hinzugeben wird immer der Text des Frauenlebens sein.“ Außer natürlich man heißt Margarete Stokowski. Der ganze Haushalt zittert, weil Eugenie ihren Goldschatz verschenkt hat. Als der Alte es dann herausfindet, brennt auch wirklich die Luft. Von Argumenten, dass er die Münzen seiner Tochter ja immerhin geschenkt hat, will er nichts hören: „Verwünschte Schlange von einer Tochter! du schlechter Same, du weißt, daß ich dich lieb habe, und du mißbrauchst es. Sie erdrosselt ihren Vater! Bei Gott, du wirst am Ende unser Vermögen diesem Barfüßler in Safranschuhen vor die Füße geworfen haben. Beim Winzermesser meines Vaters! Enterben kann ich dich ja nicht! aber ich verfluche dich, dich, deinen Vetter und deine Kinder.“

Eugenie wird bei Wasser und Brot für die Wintermonate in ihr ungeheiztes Zimmer gesperrt, die Mutter legt sich vor Kummer zum Sterben nieder. Natürlich kriegt der Buschfunk von Saumur Wind davon, wodurch die öffentliche Meinung endgültig zu Ungunsten des alten Geizhalses kippt. Was dem natürlich vollkommen wurscht ist. Erst als sein Kumpel Cruchot ihm steckt, dass Eugenie beim Tod ihrer Mutter das Recht auf Teilung des Familienvermögens geltend machen kann, der Alte sich also völlig nackt machen müsste, lenkt er ein. Er bringt Eugenie dazu, auf alle Ansprüche zu verzichten und lässt sie im Gegenzug frei. Darüber hinaus verspricht der heimliche Multimillionär ihr eine großzügige Rente von 100 Franken pro Monat, von der sie freilich auch nach einem Jahr noch keine einzige Kröte gesehen hat.
Eugenie lässt sich derweil von all dem nicht runterziehen, ihre Liebe macht sie unantastbar. Man kann nur hoffen für sie, dass sie sich damit nicht in die Nesseln setzt.

Beste Stelle:

Wenn der Meister Eugenies Liebe beschreibt und dabei mal wieder übertriebene Vergleiche anstellt: „Ehe ihr Vetter dagewesen war, konnte Eugenie mit der heiligen Jungfrau vor der Empfängnis verglichen werden; nach seiner Abreise ähnelte sie der Jungfrau Mutter: die Empfängnis der Liebe hatte sich in ihr vollzogen.“

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2 Gedanken zu “Eugenie Grandet, Teil V

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