Der Pfarrer von Tours, Teil II

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Gestern direkt vom Oderbruch bei Freund Attila vorbeigegangen, um 1 Bier zu trinken. Gebürtiger Transsylvanier, sprich Beute-Ungar aus Rumänien, und Ziehgroßvater des eigenen Kindes. Er saß bei ihrer Geburt die ganze Nacht vorm Kreißsaal, trägt zudem den dritten Teil des Familientattoos, um genauer zu sein: das Teil der Weisheit. Die anderen beiden tragen die Mutter des Kindes und man selbst. Dass es sich bei dem Motiv um das Triforce aus dem Nintendo-Spiel The Legend of Zelda: Ocarina of Time handelt, hat man den beiden erst verraten, nachdem es gestochen war.
Jedenfalls findet man ihn völlig aufgelöst vor, weil es einen neuen Router einzurichten gilt. Statt Bier also technische Hilfestellung. Nachdem man 45 Minuten lang sämtliche Möglichkeiten an PC, Smartphone und Fernseher durchprobiert hat, steht man immer wieder vor dem gleichen Problem: Verwenden Sie die Zugangsdaten, die o2 Ihnen zugeschickt hat.
„Die haben mir nichts geschickt, ehrlich!“
„Schau bitte nochmal in deinen SMS, oder in deiner Post, bestimmt haben die was geschickt.“
„Das wüsste ich doch!“
Man wird irgendwann sauer, weil man selbst ein analoges Fossil ist. In dem Augenblick, da man aufgeben möchte und verkündet, dass es ohne Zugangsdaten nicht funktioniert, folgende Worte:
„Oh, fuck. Da ist ja doch ein Brief von o2. Klappt es jetzt? Hey, danke, Mann. Komm, ich geb dir ein Bier aus.“
„Das kannst du aber glauben, dass du mir jetzt ein Bier ausgibst!“

BAND 28: Der Pfarrer von Tours, S. 44 – 107

Der arme Abbé Birotteau wird weiter von seiner Vermieterin gedisst: „Für die tausend Widerwärtigkeiten, die ein Dienstmädchen ihrem Herrn oder eine Frau ihrem Gatten in den täglichen Bedürfnissen des Lebens bereiten kann, hatte Sophie Gamard einen untrüglichen Instinkt, sie überschüttete ihren Pensionär mit diesem Füllhorn ihrer Gaben.“
Da hilft es auch nichts, dass er zu seiner Freundin Frau von Listomère aufs Land flüchtet. Es stellt sich nämlich heraus, dass der eigentliche Drahtzieher des Komplotts sein Kollege Abbé Troubert ist, so eine Art Girolamo Savoranola der Provinz. Der lebte zwölf Jahre im Schatten von Birotteaus Gönner Chapeloud, und lässt nun seinen ganzen Groll an dem hilflosen Dickerchen aus. Der Vikar wird aus der Wohnung geschmissen und verliert seine gesamte Einrichtung. Seine Aristo-Freunde sind zwar empört über die Intrige, heizen die Stimmung auch ein wenig an, das war‘s dann aber auch schon: „Die Freunde des Vikars, erregt vom Gefühl, eine gerechte Sache zu vertreten, andererseits aber ohne rechten Eifer für einen Prozeß, der sie persönlich nichts anging, hatten den Beginn des Prozesses bis zu dem Tage verschoben, wo sie selbst wieder nach Tours kämen.“
Man erinnert sich an die Zwergenaufstände in Schule und Arbeitsleben, wenn sich die Belegschaft ereifert hat, dann aber schwieg, wenn man wirklich aufbegehrte. Dann stand man da, als einzelner Unruhestifter, und die Stimmungsmacher verdünnisierten sich.

Weil die ganze Affäre auch ein schlechtes Licht auf die Gamard wirft, wird das alte Biest mit in den Abgrund gerissen: „Die Gamard hatte sich aus der Kathedrale kommend erkältet, sie lag zu Bett und galt als schwer krank. Die ganze Stadt widerhallte von Klagen und triefte von Mitleid: Fräulein Gamard war in ihrer zarten Empfindsamkeit dem Skandal dieses Prozesses nicht gewachsen. Trotzdem sie im Rechte war, würde sie an gebrochenem Herzen sterben. Birotteau tötete seine Wohltäterin.“
Sie stirbt dann wirklich, was ihrem Verbündeten Troubert nur wenige Tränchen entlockt: „Ich interessiere mich für die Närrin nicht mehr als für den vorjährigen Schnee“. Trotzdem erbt er natürlich alles, inklusive der wertvollen Einrichtung Birotteaus. Der wird in eine Vorort-Gemeinde verbannt, von wo er sein geliebtes Tours zwar noch sehen, jedoch nicht mehr erreichen kann. Er endet als gebrochener Mann: „Über seine Augen, die einst, bar jedes ernsten Gedankens, in Erwartung der Freuden der Tafel glänzten, hatte seine Krankheit einen Schleier geworfen. (…) Er war nur noch der Schatten des einstigen Birotteau, der knapp vor einem Jahr so leer und glücklich auf seinen feisten Beinchen durch den Klostergang zu trippeln pflegte.“

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2 Gedanken zu “Der Pfarrer von Tours, Teil II

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