Honorine, Teil II

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Endlich nähert sich der eigene Arbeitsalltag dem des Meisters an, was ja erklärtes Ziel dieses an Hybris grenzenden Projektes ist. Den Widrigkeiten des Lebens und der Liebe zum Trotz beißt man sich mit grimmigem Stolz durch das Balzac-Pensum, arbeitet mit fieberhafter Eile an der Auftragsbiographie, die bis Juli fertig sein soll. Weil das Universum, wenn es sich mal zum Scheißen herablässt, den größten Haufen bevorzugt, kommt genau in dieser Phase ein Sachbuch-Verlag auf einen zu und fragt, ob man einen Cool trotz Kind – Ratgeber schreiben möchte. Weil das noch nicht genug ist, nutzt man die erzeugten Fliehkräfte, um auch noch an einem Roman zu arbeiten. Und dann – wird man krank. Halsweh und Schnupfen, nichts Wildes, aber wie Jochen Schmidt, der Schutzheilige dieses Blogs, sagt: „Der männliche Körper ist wie ein Turm, nimmt man ein Steinchen heraus, fällt alles in sich zusammen.“

Man schlägt also notdürftig eine Kommandantur im Bett auf, das Kind kommt in unregelmäßigen Abständen und bringt einem Trostküsschen vorbei. Anscheinend schickt der Mutterinstinkt seine Ausläufer bereits ins Grundschulalter. Zumindest ist so zu erklären, dass sie bei der Ankunft am Freitag wissen wollte, ob man auch was zu Ostern bekommen hat. Auf eine verneinende Auskunft reagiert sie mit stundenlanger Abwesenheit, um einen dann in ihr Zimmer zu bitten, wo sie Holzeier und einen gebastelten Schmetterling für einen versteckt hat.

BAND 27: Honorine, S. 51 – 83

Noch immer rätselt Octave de Bauvan, womit er seine Frau dermaßen gegen sich hat aufbringen können: „Der Abscheu, den sie gegen mich empfindet, erschreckt und verwirrt mich, denn ich habe Honorine doch niemals Böses getan. (…) Möglich, daß ich bei ihrer Erziehung etwas zu heftig gewesen bin, und daß meine Ironie den Stolz des jungen Mädchens verletzt hat.“
Darauf muss man natürlich achten, dass man als Mann bei der Erziehung seiner Frau nicht zu harsch vorgeht. Da Octave seine Liebste weder mit Gewalt, noch mit Milde zu sich zurückholen kann, verfällt er auf die List, den jungen Maurice als Vermittler zu schicken. Dessen Einwände, dass er sich auch in Honorine verlieben könnte, wischt der Graf beiseite und mietet ihm das Haus neben ihrem Grundstück. Dort züchtet Maurice nun Dahlien und mimt den schrulligen Eremiten, der sich von der Gesellschaft und insbesondere den Frauen abgekehrt hat. Irgendwann treffen sie aber doch aufeinander und man hört förmlich, wie Balzac zur unausweichlichen Beschreibung Luft holt. Vielleicht reichen diesmal ein paar Bruchstücke zur Veranschaulichung: „weiche Haut (…) bläulichen Äderchen (…) rotschimmernder Hauch (…) Goldglanz, den Raffael und Tizian als einzige unter den Malern der heiligen Jungfrau geliehen haben.“

Die beiden werden Freunde, Honorine zeigt ihm, wie sie ihre Stoffblumen anfertigt: „Was könnte eine Frau nicht alles durch den Blumenschmuck in ihrem Haar zum Ausdruck bringen. Gibt es nicht Blumen für trunkene Bacchantinnen, Blumen für düstere und kalte Betschwestern und bekümmerte Blumen für Frauen, die sich langweilen.“
Jeden Abend erstattet Maurice dem Grafen Bauvan Bericht, spielt der Unbedarften als Tarnung eigene seelische Schmerzen vor: „Ich hatte mir die Geständnisse meiner Leiden mit ebensoviel heuchlerischer Ziererei entreißen lassen, die sich wohl junge Mädchen leisten, bevor sie sich ans Klavier setzen, im Bewußtsein der Öde, die ihr Spiel verbreitet.“
Schließlich muss er aber doch Nägel mit Köpfen machen und Honorine dazu bringen, ihm den Grund für ihr gewähltes Exil zu verraten. Sie beschwört ein letztes Mal den Wert ihrer emanzipierten Lebensweise herauf: „So seinen Lebensunterhalt zu verdienen und an der Arbeit noch Freude zu haben und frei zu sein, während die Männer sich doch mit ihren Gesetzen bewaffnet haben, um uns zu Sklavinnen zu machen.“
Ein guter Moment, um ihr zu eröffnen, dass diese Idylle eine Farce ist, dass der Graf ihre Miete bezahlt und die Händler besticht, damit sie ihr mehr für ihre Stoffblumen bezahlen. Honorine will sofort fliehen, Maurice gibt ihr noch den Gedanken mit auf den Weg, dass sie vielleicht mit einem Kind glücklicher geworden wäre. Für den nächsten Tag wird eine große Aussprache avisiert. Das kann ja was werden.

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2 Gedanken zu “Honorine, Teil II

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