Die Oster-Reisesaison steht an. Zusammen mit Eltern und Kind nach Venedig. Noch weiß der eigene Vater, der noch nie in seinem Leben geflogen ist und die deutsche Grenze nur für zwei kurze Ausflüge nach Wien und Prag überquert hat, nichts von seinem Glück. Er glaubt, ihm steht eine Woche Berlin bevor. Das Kind darf die Bombe einen Tag vor Abflug platzen lassen und ist jetzt schon schadenfroh angesichts einer möglichen Flugangst ihres Opas.
Dazu kommt wieder der Reigen internationaler Corona-Reisebestimmungen. So gilt das Kind zwar in Italien auch nach Ablauf des dritten Monats noch als genesen. Allerdings wird ihr Zertifikat beim Einchecken in Deutschland ungültig sein und somit ein mögliches Ausschlusskriterium für den Reiseantritt. Also doch wieder PCR-Test, zusätzlich zu den Formularen für Einreise und neuerdings italienischem Anti-Terror-Gesetz. Erfahrungsgemäß wird dann vor Ort kein Arsch etwas davon sehen wollen. Wenn schon die Franzosen so locker mit allem umgingen, werden die Katzinger erst recht eine ruhige Kugel schieben. Immerhin ist man nach solchen Odysseen dann eine Koryphäe auf dem Gebiet der Corona-Regeln und kann im Bierbrunnen aus dem Nähkästchen plaudern.
BAND 26: Beatrix, S. 41 – 80
Weitere Greise finden sich zum Kartenspiel ein, darunter ein alter Kampfgefährte des Barons, der Chevalier du Halga: „Sein Knochengerüst, gleich dem des Barons von unzerstörbarer Stärke, war mit Pergament überzogen, das sich an die Knochen anschmiegte, wie das glänzende Fell eines Araberpferdes an die Muskeln. Von seinen Indienfahrten hatte er weder einen Gedanken noch eine Geschichte heimgebracht.“
Um knausrige Beträge wird ein Kartenspiel namens Mouche gespielt, man schätzt dabei die Eintönigkeit. Nur zu eintönig darf es nicht werden: „Die Spieler beschwerten sich über die ‚Mouche‘, wie die Neger auf das Spiegelbild des Mondes im Wasser einschlagen, wenn das Wetter ihnen nicht günstig ist.“ Hauptthema ist natürlich auch hier der junge Calyste und seine ständigen Besuche bei Félicité des Touches, die unter dem Pseudonym Camille Maupin Bücher schreibt. Als wäre das nicht genug, raucht die gute auch noch, beherbergt Künstler auf ihrem Gut und ist vierzig Jahre alt. Kein Wunder das Calystes Mutter besorgt ist.
Sie wartet abends, bis er nach Hause kommt, denn vorher kann sie nicht einschlafen. Das wird einem vermutlich auch blühen, wenn das Kind irgendwann flügge wird. Selbst die eigene Mutter liegt wach, wenn man bei ihr zu Besuch in der Pfalz ist. Zwar wohnt man seit zwanzig Jahren nicht mehr bei ihr, doch wenn das eigene Bett mal wieder ausnahmsweise unter ihrem Dach steht, kommt die alte Unruhe zurück.
Calyste beteuert, dass er zwar mal in Fräulein des Touches verliebt war, sie ihn jedoch aufgrund seines Alters und weil er „ebensowenig wie ein Karpfen“ weiß, zurückgewiesen hat. Nun ist sie seine mütterliche Freundin und deshalb keine Gefahr. Mit dieser Beichte kann er die Alten nur mäßig beruhigen. Als die Dienerin Mariotte fragt, was an einer Ehe zwischen Calyste und der immerhin adligen Schriftstellerin so schlimm wäre, wird sie zurechtgewiesen: „Was faselst du da, Mariotte? (…) Ein du Guénic wird eine des Touches heiraten! Zu einer Zeit, da die Familie du Guesclin eine Ehe mit uns als besondere Auszeichnung betrachtete, waren die des Touches noch nicht einmal unsere Schildknappen!“ Man sollte auch heute noch stets darauf achten, dass man nur in Familien einheiratet, die mindestens auf den Zweiten Kreuzzug zurückgehen.
Der alte Baron hat schließlich genug vom hysterischen Gewäsch seiner Leute. Er zieht los, um sich selbst ein Bild von der Dichterin zu machen, diesem „Gemisch aus Weib und Philosoph, das die sozialen Gesetze außer acht ließ und sich über alles hinwegsetzte, was erdacht wurde, um die Schwächen des schönen Geschlechts zu zügeln oder der Allgemeinheit dienstbar zu machen.“
Wohlan, tapferer Recke!
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