Die falsche Geliebte, Teil II

Zum vorherigen Beitrag

Heute Nacht erneut einen archetypischen Traum gehabt, den Lesungstraum. Vorbote des anstehenden Auftrittes bei „SaxRoyal“ in Dresden am Donnerstag. Kern dieser Träume ist immer, dass man unvorbereitet die Bühne betritt, meistens mit einem Text, der so oft und schlampig korrigiert wurde, dass man ihn kaum noch entziffern kann. Was einem natürlich erst im Moment des Vortrages auffällt. Nicht mehr lesbare Satzteile müssen improvisiert werden, ohne dass man ins Stocken gerät. Dabei die Einsicht, dass der Text auch noch hundsmiserabel ist.
Diesmal ist man bei der Ankunft so in Gedanken versunken, bzw. mit den losen Enden anderer Traumplots beschäftigt, dass man keinen der Künstlerkollegen begrüßt. Erst im Moment der Anmoderation wird einem bewusst, dass man sich derart wie ein Stoffel benommen hat, was umso schwerer wiegt, als man außer Micha Bittner niemanden von den Anwesenden kennt.
Dann die Eröffnung des plötzlich auftauchenden Spider, dass man Texte zu vorgegebenen Themen lesen soll, und zwar Meine Drogenkarriere und An der Bushaltestelle. Hektische Sichtung des mitgebrachten Lesematerials. Leider keinen einzigen Bushaltestellentext eingepackt. Man entschließt sich also zwangsläufig zu dem Move, den man auch in Wirklichkeit anwendet, wenn ein Veranstalter die Unsitte der Themenvorgabe praktiziert: Man liest, was einem in den Kram passt, und sagt danach laut: Bushaltestelle.

BAND 24: Die falsche Geliebte, S. 47 – 74

Kapitän Paz richtet seiner Alibi-Geliebten, der Kunstreiterin Malaga, eine Wohnung ein. Weil er dafür keine Gegenleistung verlangt, hält sie ihn für pervers, es gibt Gerede. Sogar Clementine kriegt Wind von dieser Affäre, weshalb der Kapitän drastisch in ihrem Ansehen sinkt. Damit hat er erreicht, was er wollte: Sie macht ihm keine schönen Augen mehr, er kann sie wieder in Ruhe aus der Ferne anschmachten. Dann wird allerdings ihr Ehemann Adam schwerkrank, eine Entwicklung, die Paz nicht vorausgesehen hat: „Der Unglückliche hatte die Möglichkeit nicht bedacht, Clementines Gatte zu werden, und hatte sich selbst in ein schmutziges Loch eingeschlossen. Er erschien mit verstörtem Gesicht voll erhabenen Schmerzes. Sein Haupt verbreitete Verzweiflung, wie das der Medusa.“
Es bleibt ihm nicht anderes übrig, als seinen Freund gesund zu pflegen und danach das Land zu verlassen. Natürlich schreibt er Clementine vorher noch einen Brief, in dem er alles erklärt. Mit diesem Wissen lässt er dich leicht Entflammbare sitze, sie wartet fortan „stündlich“ auf ihn.
Balzac resümiert: „Ach, die Mehrzahl der Pariserinnen, diese angeblich so scharfsichtigen und geistreichen Geschöpfe, werden stets an einem Paz vorübergehen, ohne ihn zu bemerken. Ja, mehr als ein Paz wird verkannt. Aber das Schrecklichste ist: manche werden verkannt, auch wenn sie geliebt werden! Auch die schlichteste Frau verlangt von dem größten Mann noch etwas Schauspielerei, und die schönste Liebe gilt nichts, wenn sie natürlich ist. Sie bedarf der Inszenierung und Einfassung.“
Wenn das mal kein Seitenhieb gegen die Gräfin Hańska ist.

Weiterlesen

4 Gedanken zu “Die falsche Geliebte, Teil II

  1. Pingback: Die falsche Geliebte, Teil I | CLINT LUKAS

  2. Lieber Clynd,zu unserem letzten talk(gestern): die „katharina von
    medici“ ist ja auch in unserer ausgabe,obwohl kein teil der comedie
    humaine…

    Like

    • Lieber Tribi,
      laut meinem kessen Schaubild aus dem Balzac-Haus gehört „Katharina von Medici“ zu den Analytischen Studien. Im übrigen bin ich der Meinung, dass Diogenes zerstört werden muss.

      Like

  3. Pingback: Eine Evatochter, Teil I | CLINT LUKAS

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..