„Aufgrund der aktuellen Situation können wir bis auf Weiteres leider keine unverlangt eingesandten Manuskripte prüfen. Bitte sehen Sie daher von einer Einsendung ab. Wir bitten um Ihr Verständnis.“
Das ist der Tenor, dem man zur Zeit begegnet, wenn man versucht, eine Agentur oder einen Verlag zu finden. „Aufgrund der aktuellen Situation“ ist das neue „Wir haben Ihr Manuskript geprüft, aber“. In beiden Fällen wurde nie ein Blick in den Text geworfen, aber bis die Absage kam, konnte man sich als Autor wenigstens einreden, dass etwas voran geht.
Schön war auch immer, in andere Abteilungen abgeschoben zu werden. „Da sich Ihr Text an eine jüngere Zielgruppe richtet als unser Programm, empfehlen wir Ihnen einen Jugendbuchverlag.“ Und der Jugendbuchverlag so: „Da Ihr sehr beeindruckender Text leider etwas zu düster für unsere Alterszielgruppe ist (Stichwort: borderline-Thematik), raten wir Ihnen, sich an einen breiter aufgestellten Publikumsverlag zu wenden.“ Die Jagd nach einem Passierschein A38 könnte nicht erfrischender sein.
Das gekränkte Ego schreit in so einer Situation „Berufsverbot“, wobei das natürlich leichtfertig ist. Man darf ja schreiben, soviel man will, es wird halt nur nie jemand zu Gesicht kriegen, und man wird mit all den anderen Hanswursten auf dem Feld der Namenlosen verscharrt. Aufgrund der aktuellen Situation raten wir Ihnen, Ihr Herzblut auf einer anderen Türschwelle zu vergießen. Suchen Sie sich einen neuen Lebensinhalt, bis Pandemie und Krieg vorbei sind. Für etwaige Schäden an Ihrer Psychohygiene kann leider keine Haftung übernommen werden.
Wir bitten um Ihr Verständnis.
BAND 15: Frau Firmiani
Wie schon im letzten Band beginnt Balzac passiv aggressiv, und entschuldigt etwaige Mängel am Text mit der fehlenden Empathie des Lesers: „Wenn Sie an teure Personen denken, die Sie verloren haben, wenn Sie allein sind, wenn es Nacht ist oder der Tag verblaßt, dann setzen Sie die Lektüre dieser Geschichte fort, andernfalls würden Sie das Buch hier fortwerfen.“
Und da man heute selbst genug passiv aggressive Energie für ein ganzes Fußballstadion aufbringen könnte, sagt man an dieser Stelle einfach mal: Gut, werfe ich das verdammte Ding eben fort.
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