Man will sich ja nicht beklagen. ABER. Es war schon zu den Zeiten, als man Reporter war, das Allerschlimmste, auf die Textfreigabe von Dritten zu warten. So schrieb man 2016 ein Porträt über eine Sängerin. Weil man nett sein wollte, gab man es ihr freiwillig zum Lesen, bevor man es an die Redaktion schickte. Daraus entstand folgende exemplarische Situation:
„Wirklich schön!“, schrieb sie.
„Soll ich was ändern?“
„Nein. I love it, you take it.“
Nach zwei Minuten klingelte das Telefon.
„Vielleicht kannst du doch noch was ändern. Aber nur ein paar Kleinigkeiten. Und kannst du den Dialog auf Seite 3 ganz rausnehmen? Da könnte ich Ärger kriegen.“
„Alles klar. Sonst noch was?“
„Nein, das ist alles.“
Man schickte den geänderten Text zu seinem Redakteur. Weil die Veröffentlichung sich trotzdem noch ein paar Tage hinzog, hatte die Sängerin Gelegenheit, das Thema weiter in ihrem Kopf herum zu wälzen.
„Ich freu mich schon so!“, schwärmte sie. „Mir ist da nur noch eine Kleinigkeit aufgefallen. Kannst du das bitte umschreiben? Und vielleicht sollte man irgendwie die Geschichte des Islam mit einfließen lassen.“
„Coole Idee“, sagte man, während sich der Schließmuskel leise verkrampfte. Nachdem man ihr die Änderungen geschickt hatte, kamen zwei Kurznachrichten.
„Awesome!“, sagte die erste. „I love it!“
In der zweiten stand: „Hab es nur noch schnell meinem Agenten gegeben. Und dem Produzenten. Damit die auch mal schnell drüber schauen.“
In diesem Moment hatte man im Grunde genug von diesem Beruf.
Heute ist es der Protagonist einer Biographie, der einen mit Änderungswünschen quält. Die Textdateien tragen inzwischen Namen wie „Final_Clint_Bio_korrigiert_freigegeben_final_3“ und dennoch darf man den Sack noch nicht zumachen. Man hat den Verdacht, dass dies vor allem aus dem Grund geschieht, dass der Protagonist die gemeinsamen Interview-Sitzungen vermisst. Was wiederum süß ist. Doch während man bei 38 Grad Weißwein schlürft, wird einem klar, dass nach der Manuskriptabnahme auch noch Cover und Bildteil abgestimmt werden müssen. Wie man da unbeschwert mit dem nächsten Buch anfangen soll (das im November fertig sein muss), steht in den Sternen. Ende der Klageschrift.
BAND 47: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang, S. 201 – 250
Schon bevor Cäsar seinen großen Ball veranstaltet, schadet dieser ihm bereits. Denn natürlich kriegen die Schwätzer in der Nachbarschaft Wind von den Vorbereitungen und zerreißen sich das Maul über seinen Größenwahn. Womit sie nicht ganz unrecht haben. Cäsar selbst merkt mal wieder nichts davon, weil er damit beschäftigt ist, jedem von seinem Kampf mit Napoleon zu erzählen, der nicht bei drei auf den Bäumen ist.
Der Ball selbst wird ein ziemlicher Erfolg, Balzac vergleicht ihn mit dem triumphalen 4. Satz von Beethovens Schicksalssinfonie. Doch bereits am nächsten Morgen trudeln die Rechnungen für diese Orgie ein. Cäsar, der sein gesamtes flüssiges Vermögen in den windigen Immobiliendeal investiert hat, spürt zum ersten Mal den ruppigen Griff der Gläubiger im Nacken. Als dann herauskommt, dass Roguin, einer der Teilhaber am Deal, mit 400.000 Francs verschwunden ist, für die es keine Quittungen gibt, geht sein Arsch auf Grundeis, um es diplomatisch auszudrücken: „Es ist vielleicht schrecklicher, wegen unerheblicher Bagatellen oder Ungeschicklichkeiten vor die sechste Kammer zu kommen als wegen eines Riesenbetrugs vor das Schwurgericht. In den Augen gewisser Leute ist es besser, wenn man ein Verbrecher, als wenn man ein Dummkopf ist.“
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