Die Lilie im Tal, Teil VII

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BAND 32: Die Lilie im Tal, S. 301 – 367

Felix stellt endlose Vergleiche zwischen Henriette und Lady Dudley an. Mitunter kommt er dabei sogar auf ganz gute Gedanken: „was man auch darüber sagen mag, so erklärt der Protestantismus und der Katholizismus die Verschiedenheiten, die der Französin so viel Überlegenheit verleihen über die Vernunft und berechnende Liebe der Engländerinnen. Der Protestantismus zweifelt, prüft und tötet den Glauben, er ist folglich der Tod der Kunst und der Liebe.“
Natürlich tut er Lady Dudley damit unrecht. Er beschwert sich, dass sie ihre Liebe nicht vor aller Welt zeigt, dass sie eine eigenständige Person bleibt: „Sie war weder Geliebte noch Sklavin, sie war wie eine Botschafterin, gezwungen, ihre Sätze gut zu formen, sie brachte einen durch ihre Ruhe zur Verzweiflung, sie erniedrigte auf diese Weise die Liebe zum Bedürfnis, anstatt sie zum Ideal durch den Enthusiasmus zu erheben.“
Man fragt sich, was er nun eigentlich will. Henriette tut schließlich den ganzen Tag nichts anderes, als ihre Liebe zum Ideal durch den Enthusiasmus zu erheben, sehr zum Leidwesen des Lesers. Aber das ist dem guten Felix ja auch wieder nicht recht.

Doch die Erlösung naht, als ein Brief in Paris eintrifft, der ihn vom nahen Tod seiner Heiligen unterrichtet. Die Gute hat seit vierzig Tagen nichts gegessen und liegt im Sterben. Felix eilt an ihr Bett, wo sich über etliche Seiten geradezu operettenhafte Szenen abspielen. Man war selbst zwei Jahre lang Sterbebegleiter in einem Hospiz und wundert sich, dass in dieser Zeit niemals wohlgesetzte Monologe gehalten oder das Kyrie eleison gesungen wurden.
Man blättert und blättert und wartet, dass der alte Fetzen endlich den Löffel abgibt. Allerdings muss erst noch die Generalbeichte erfolgen, ein Totenhemd muss her, Felix‘ Briefe müssen verbrannt werden. Als man endlich erleichtert aufatmen kann, Henriette gen Himmel aufgefahren ist, taucht ein Brief voller Anweisungen von ihr auf. Eine gute Gelegenheit, um nochmal die elende Tante ins Spiel zu bringen. Man seufzt und rauft sich die Haare.

Zum Schluss bricht Felix mit Lady Dudley und resümiert seine bisherigen Erfahrungen: „Von diesem Augenblick an beschloß ich, niemals eine Frau zu beachten, sei sie auch noch so schön, geistreich und liebevoll. Dieser Beschluß gelang mir restlos.“
Genau, denkt man, so restlos, dass er nun diesen Briefroman an seine neue Geliebte Nathalie de Manerville schreibt, die wir aus Der Ehekontrakt als das bisher schlimmste Weibsbild der Comédie humaine kennenlernen durften. Auf den letzten Seiten dieses Bandes wächst sie einem jedoch ans Herz, weil sie dem lieben Felix in einem kurzen Antwortbrief den Kopf zurecht rückt: „Um Gottes willen legen Sie eine entsetzliche Eigenschaft ab, ahmen Sie nicht die Witwen nach, die immer von ihrem ersten Mann sprechen und immer dem zweiten Mann die Tugenden des ersten vorwerfen. (…) Sie haben Lady Dudley zu früh getroffen, um sie schätzen zu können, und das Schlechte, was Sie über sie sagen, scheint mir eine Rache Ihrer verletzten Eitelkeit. Sie haben Frau von Mortsauf zu spät verstanden. Sie haben die eine dafür bestraft, nicht die andere zu sein. (…) Wenn Sie Wert darauf legen, in der großen Welt zu bleiben, den Umgang mit den Frauen zu genießen, verbergen Sie ihnen sorgfältig alles, was Sie mir gesagt haben.“
Da kann man wirklich nur nicken und die Hände in den Schoß legen. Schön wäre es natürlich gewesen, wenn er einem als Leser auch alles sorgfältig verborgen hätte, was er ihr gesagt hat.

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2 Gedanken zu “Die Lilie im Tal, Teil VII

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